Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
wie der Film über die sechzehnjährige Juno, die mehr oder weniger aus Langeweile schwanger wird und recht pragmatisch neue Eltern für ihr ungeborenes Baby sucht, wohl weitergehen wird (leider auf Deutsch, aber egal, immerhin diskutieren wir). Das Ende können wir nämlich erst in der nächsten Stunde gucken.
Bilal über die coole, grungige Hauptdarstellerin: »Sie ist irgendwie komisch.«
»Was meinst du?«
»Na, sie passt gar nicht zu uns. Sie ist voll nicht wie wir.« Lernziel: Toleranz – durch die Auseinandersetzung mit anderen Lebensweisen – mal wieder durch Irritation erreicht. Und gleich am Anfang des Films gab es Sex. Fundas Aufschrei »Ih, die Schweine« wurde von mir durch ein schnelles »Das haben deine Eltern auch gemacht, sonst wärst du jetzt nicht hier« gestoppt.
Ein paar Tage später schauen wir den zweiten Teil des Films. Weil ich mich noch so gut daran erinnere, wie ich es gehasst habe, wenn meine Lehrer einen Film unterbrochen haben, um ihre langweiligen Verständnisfragen loszuwerden, habe ich die ganze Stunde nur den Beamer arbeiten lassen. Kein Wunder, dass es eine ruhige Stunde war. Aber diesmal zumindest mit deutschen Untertiteln. Sollen die Schüler doch wenigstens Deutsch in meinem Englischunterricht lernen. Englisch haben sie ja schon die letzten drei Jahre nicht kapiert. Ohne die verständlichen Untertitel wären sie mir heute sonst alle abgekackt. Die nervtötende Marcella hat nämlich die erste halbe Stunde gefehlt, und somit hatten wir niemanden mehr, der uns zwischendurch alles erklärt. Wenn ich das immer mache, dann wird das Ganze doch sehr lehrerzentriert. Hausaufgabe bis nächste Stunde: eine Seite schreiben, wie der Film ausgehen könnte. Ich bin sehr gespannt.
Schantalle nervt
Schantalle! Vor den Herbstferien hatte ich mir ja erlaubt, in ihrem Kurs einen kleinen Test schreiben zu lassen. Außerdem hatte ich alle Schüler fotografiert, weil ich sie Selbstporträts zeichnen lassen wollte.
Wer das schon mal versucht hat, weiß, dass sich Schüler nicht gerne ohne Vorwarnung fotografieren lassen. Vor allem die Mädchen nicht, weil »Gerade heute sehe ich so scheiße aus!« und »Ich habe mir nicht die Haare gemacht, können wir das nicht nächste Stunde machen« oder »Ich habe den Überpickel am Kinn, niemaaals lasse ich heute Foto machen«.
Beliebt bei Referendaren: Erst mal Fotos von den neuen Lerngruppen machen, damit man dann zu Hause die Namen auswendig lernen kann. Das geht normalerweise ziemlich in die Hose, da sich die Schüler ja nicht ablichten lassen wollen.
Ich also, voll schlau, habe einfach ganz leise und unauffällig jeden Schüler kurz vor die Tür gebeten und ihn dort schnell fotografiert. Ging super.
Bis Schantalle an der Reihe war: »Ach nein, nö, bitte … nicht heute …« Als Einzige hat sie sich geweigert. Ausgerechnet Schantalle, typisch. »Ich bringe Ihnen ein Foto von mir mit. Versprochen!«
»Dann muss ich das aber einscannen und bearbeiten, und ich habe keinen Scanner. Du musst also einen Ausdruck auf DIN A4 mitbringen«, drohe ich ihr an.
»Okay.«
Schon während sie das sagte, wusste ich, dass sie das Foto vergessen würde. Und siehe da, in der folgenden Stunde verteile ich die Porträts und sage zu Schantalle, die leicht angegriffen aussieht: »Du hast ja dein eigenes Bild mitgebracht, das kannst du jetzt rausholen.« Und klar: Sie hatte keins dabei!
»Tja, dann kannst du jetzt wohl nicht mitarbeiten.« Triumph der Macht! »Es sei denn, jemand gibt dir ein Bild von sich ab.« Ich hatte mehrere Versionen der Porträts ausgedruckt. Widerwillig musste Schantalle das Bild vom recht unbeliebten und nicht gerade gutaussehenden Oliver abzeichnen. Ha!
Und am Montag wurde ich gleich mit »Haben Sie unsere Tests mit?« von ihr begrüßt.
»Ja, habe ich, die bekommt ihr am Ende der Stunde.« Niemals sollte man Tests oder Arbeiten am Anfang ausgeben! Es kann sonst zu stundenlangen Diskussionen über die Punkteverteilung und die Noten kommen.
Irgendwann musste ich die Tests dann aber doch rausrücken. Widerwillig überreichte ich ihr die Arbeit. Ich habe mich wirklich bemüht, so streng und pingelig wie möglich zu zensieren. War nichts zu machen. Schantalle hatte eine glatte EINS. Sie ist tatsächlich unterfordert! Und zeichnen kann sie auch ziemlich gut. Aber Farbe liegt ihr nicht so, hat sie gesagt. Nächste Stunde wird gemalt.
Lahmacun, Börek und Red Bull
Ich bin platt. Als ich eben die Schule verlassen habe, war es schon dunkel! Das
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