Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
bitte im Büro melden«, oder: »Herr Werner, schicken Sie bitte einen Schüler.« Ich frage mich dann immer, was wohl passiert ist, und bin manchmal ein bisschen neidisch auf die Kollegen, um die es geht. Oft versteht man den Namen nicht richtig, dann wollen die Schüler mich immer überzeugen, dass ich ausgerufen wurde:
»Doch, ganz sicher, ich schwöre, er hat gesagt: Frau Freitag, bitte im Büro melden.« Am Kichern der anderen Schüler kann ich erkennen, dass ich wieder mal nicht ausgerufen wurde.
Aber heute – die großen Schüler zeichnen so vor sich hin –, plötzlich in die herrliche Stille hinein: »Frau Freitag, bitte im Büro melden!«
Ich wurde ausgerufen, ich wurde ausgerufen! Wie spannend!
»Tja, Leute, ich muss mal kurz ins Büro, ihr arbeitet bitte genauso still weiter.«
Im Büro treffe ich dann die Mutter von Ronnie, der einen seiner Tobsuchtsanfälle hatte. Wir hatten schon eine Stunde (meine Freistunde) lang versucht, sie zu erreichen, und nun ist sie endlich da. Wir begrüßen uns. Der Schulleiter steht neben uns. Die Mutter will mit mir sprechen. Ich auch mit ihr.
»Aber Herr Kaleu, geht das denn jetzt, ich habe doch gerade Unterricht?«
»Wen haben Sie denn?«
»Die Großen, Kunst.«
»Na, meinen Sie denn, die nehmen Ihnen jetzt den Raum auseinander?«
»Nein, das nicht, aber man sollte sie schon kurz informieren.«
Der Schulleiter erklärt sich bereit, schnell Bescheid zu sagen. Mir wäre es eigentlich lieber, wenn sich jemand in den Raum setzen würde, aber es bietet sich keiner an. Also quatsche ich erst mal mit Ronnies Mutter über den Vorfall zwischen Ronnie und Frau Hinrich, der anscheinend doch noch nicht geklärt ist. Ronnie hatte sich geweigert, seine Jacke im Unterricht auszuziehen. Er und Frau Hinrich steigerten sich daraufhin in eine Art Endloskonflikt hinein, der anscheinend nicht mehr zu lösen war.
Wir reden, Frau Hinrich kommt zufällig vorbei, setzt sich zu uns, dann muss ich Ronnie holen, der soll auch noch mal alles aus seiner Sicht schildern … es dauert und dauert. Ich werde langsam unruhig, weil ich die Schüler schon eine halbe Stunde in meinem Raum allein gelassen habe. Um kurz vor drei sage ich, dass ich jetzt echt mal schnell nachsehen muss.
Der Unterricht geht bis 15:10 Uhr. Ich werde kurz reingehen, die Arbeiten einsammeln und sie dann ausnahmsweise zehn Minuten früher gehen lassen.
Aber als ich den Gang entlangkomme, sehe ich, wie einige Schüler mit Jacken und Taschen meinen Raum verlassen.
»Äh, wo wollt ihr denn hin?«
Die Schüler drehen sich zu mir um: »Wieso, ist doch Schluss.«
Ich gucke auf die Uhr, die oben im Flur an der Wand hängt. Auf der Uhr ist es bereits 15:10 Uhr. Ich gucke auf meine Armbanduhr – 15:00 Uhr. Scheiße, denke ich, stehengeblieben. In meinem Raum hängt auch eine Uhr, ebenfalls 15:10 Uhr. Alle Schüler packen ihre Sachen ein. Ich checke den Sekundenzeiger auf meiner Uhr. Komisch, der läuft noch, dann fällt mein Blick auf Ahmets Armbanduhr: 15:00 Uhr! Genau wie bei mir. Carsten holt sein Handy raus und guckt drauf. Ich frage ihn: »Na, wie spät ist es denn auf deiner Uhr?«
Er grinst nur und steckt sein Handy wieder ein.
»Tja, Leute, ich wollte euch eigentlich früher gehen lassen, aber jetzt machen wir Unterricht bis zum bitteren Ende. Alle wieder hinsetzen und weiterarbeiten.«
Insgeheim freue ich mich. Darüber, dass meine Uhr doch tadellos funktioniert und dass die Schüler so schlau waren, auch die Uhr im Flur zu verstellen. Daran zeigt sich, dass DIE Abitur machen werden. Meine Klasse hätte auf jeden Fall nur eine Uhr verstellt.
Wenigstens sitzen Ronnie, seine Mutter und Frau Hinrich zufrieden grinsend am Tisch, als ich zu ihnen zurückkomme. Auf wundersame Weise hat sich zumindest dieses Problem in den letzten zehn Minuten aufgelöst.
Und dann kommt mir auch noch die Jahrgangsleiterin entgegen und sagt, dass sie Mariellas und Emres Anmeldungen zur Realschulprüfung noch akzeptiert hätte, da die beiden am Montag anscheinend wirklich um 7 Uhr in der Schule waren, um alles abzugeben.
Endgültigkeit schmeckt bitter
Ein guter Tag. Ich bin sehr zufrieden mit mir. Erst eine schöne Kunststunde gehalten, mit sehr schönen Arbeitsergebnissen und zufriedenen Kindern, dann eine bombenmäßig gute Englischstunde in meiner Klasse. Das Geheimnis: Cut and Paste! Beruf auf der einen Seite – was man in dem Beruf macht, auf der anderen Seite. Aufgabe: ausschneiden, zuordnen, aufkleben. Freiwillig benutzen
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