Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
in Englisch – null Problemo. Du solltest mal versuchen, nicht nur mit dem Oberkörper auf dem Tisch zu liegen. Dafür hast du jetzt nur eine Vier bekommen. Leg dich doch im zweiten Halbjahr ganz drauf, dann gibt es bestimmt eine Zwei. Fatma, du musst einfach noch öfter zu spät kommen, dann klappt das auch mit den elf Punkten in Mathe.«
Die Schüler sind voll motiviert. Jeder möchte seine persönliche Rechnung. Aylas Zukunftsperspektive errechne ich sogar noch in der Pause. »Das schaffe ich, Frau Freitag. Danke und schönes Wochenende.«
Ich wische die Tafel, gehe eine rauchen und denke: Meine Klasse spinnt.
Der Stress stresst mich
Toll, nach einem längeren Telefonat mit Fräulein Krise habe ich jetzt einen Magendurchbruch. Stand bei Wikipedia. Hat sie mir vorgelesen. Na ja, also Durchbruch habe ich wahrscheinlich noch nicht. Aber irgendwas wird schon mit dem Magen sein. Und jetzt denke ich über unseren Beruf nach. Ist ja schon stressig. Wie wirkt sich denn der Stress auf meinen Körper aus?
Merke ich Stress immer? Oder kann es auch sein, dass ich an einem Tag, an dem ich denke »lief doch alles super«, trotzdem Stress ausgesetzt war, der sich dann in den Magen frisst? Wie ist das mit dem Oi-Stress? Habe ich vielleicht zu viel positive Anstrengung? Was passiert denn mit einem, wenn man dauerhaft Stress ausgesetzt ist? Und vor allem, wie lange dauert es, bis etwas passiert? Ist das dann so ein »Kann – muss aber nicht«-Fall?
Ist das eigentlich schädlich – also gesundheitlich schlecht für meinen Körper –, wenn ich Mert, Mohamed und Mervin unterrichte, sprich, mindestens fünf Mal in 45 Minuten richtig austicke und aus voller Lunge rumbrülle? Ist kontrolliertes Ausflippen nur für die Stimmbänder schädlich oder auch für den Magen? Wie sieht es mit Monoernährung aus – hauptsächlich Brot und nie Obst? Zigaretten … Na, da gibt es wahrscheinlich nichts Neues drüber. Kann man den Magen schonen – mal abgesehen von Keinenkaffeetrinken und Nichtrauchen?
Soll ich den Beruf wechseln? Aber wo hat man so viel Spaß wie in der Schule?
Heute Murat aus der Siebten: »Frau Freitag, kennen Sie den: Was sagt der Japaner vor der Mülltonne?«
»Äh? Japaner?«
»Ja, vor der Mülltonne?«
»Murat, das ist ein uralter Türkenwitz, der funktioniert gar nicht mit Japanern.«
»Ja, ja, das ist Türkenwitz«, schreit Tarkan aufgeregt von hinten. »Sagt der Türke: Türkendisko. Oder kennen Sie: Was ist türkische Familie vor Mülltonne?«
Alle brennen darauf, das zu erfahren. Tarkan genießt die Aufmerksamkeit und sagt nach einer langen Pause: »Familienfoto. Oder was sagt der eine Türke zu den andern Türke …«
Ich verstehe die Welt nicht mehr, lehne mich zu Dragan und flüstere: »Häh, die sind doch beide türkisch, warum erzählen die denn diese Türkenwitze?« Aber ich weiß auch, wenn ich jetzt versuche zu erklären, warum diese Witze nicht mit Japanern funktionieren, weil sie ihren Ursprung in der Zeit der Anwerbeabkommen haben, dass ich dann wieder eine Diskussion über das Trümmerwegräumen nach dem Zweiten Weltkrieg starte. Ich warte also einfach, bis ihnen keine Witze mehr einfallen, und gebe dann das Signal zum Aufräumen.
Ich würde euch nicht einstellen
»Wollen wir die Aufgabe im Buch jetzt noch machen, oder soll ich was zu euren Fehlzeiten sagen?«
»Jaaa, Fehlzeiten!«, rufen alle begeistert.
»Eure Fehlzeiten … puhhh – die sind echt schlimm. Viel Spaß beim Bewerben. Ich würde euch nicht einstellen!«
Betrübte Gesichter. Nachdenkliche Stille.
»Also, so steht das auf euren Zeugnissen: Erst steht da Tage und dann: davon unentschuldigt, dann Stunden und: davon unentschuldigt, und dann Verspätungen . Soll ich mal eine Rangfolge anschreiben?«
Wir haben noch zehn Minuten, die wollen sinnvoll gefüllt werden.
»Wer steht denn wohl ganz oben?«
»Christine!«
»Marcella!«
»Ich!«
Ich schreibe Namen an die Tafel: Marcella, Ayla, Christine, Emre …
»Ähhh, kann gar nicht sein. Er hat mehr gefehlt als ich.«
»Gar nicht! Du hast öfters gefehlt!«
Ich habe nur einen Schüler, der nie unentschuldigt gefehlt hat und immer pünktlich war. Ich male ein dickes Herz hinter seinen Namen. »Den würde ich sofort einstellen.« Irfan wird rot und grinst.
Dann lese ich die unentschuldigten Tage und Stunden vor. Meine Klasse kommt gerne in die Schule, sie sind keine typischen Schwänzer, die tagelang zu Hause bleiben oder sich im Center rumdrücken. Ich habe nur zwei
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