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Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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meinen Freunden gesprochen.«
    Ich lese Entsetzen in den Gesichtern der Mädchen bei der bloßen Vorstellung, ihr Vater könnte mit auch nur einem ihrer 500 Freunde telefonieren.
    »Und es gab ja auch keine E-Mails. Da gab es nur Briefe.«
    »Ja, Briefe, wir haben früher auch immer Briefe nach Türkei geschickt. Voll schön. Mit Fotos«, schwärmt Elif.
    »Und, Elif, frag mal deine Mutter, wie teuer es früher war, dahin zu telefonieren.«
    »Wieso? Nimmst du Alice, vallah , is nicht teuer«, sagt Bilal.
    »Alice is voll Abzocke«, sagt Fatma.
    »Was Abzocke?«
    Wir schweifen ab, ich wollte eigentlich beim Thema »Briefeschreiben« bleiben.
    »Also, ich hatte damals einen Freund in Amerika. Wir haben uns immer Briefe geschrieben.«
    »Voll schön!«, säuselt Elif mit verklärtem Blick.
    »Ja, ja, voll schön. Aber die haben immer voll lange gebraucht, bis sie ankamen. Und wenn ich zum Beispiel geschrieben habe: Ach, du fehlst mir so, ich vermisse dich und so weiter, dann brauchte der Brief eine Woche hin und der Antwortbrief auch noch mal eine Woche, und in der Zeit lernte ich einen anderen Jungen kennen.«
    Jetzt starren mich alle Mädchen böse an. So wollten sie die Geschichte nicht haben.
    »Na ja, heute kann so was ja nicht mehr passieren«, sage ich schnell. »Heute schreibt man eine E-Mail – Hallo, sorry, ich hab ’nen Neuen! –, das bekommt der andere dann in Echtzeit.«
    Ich grinse in die Runde. Niemand sagt was. Dann klingelt es. Langsam schlurfen sie raus. Vielleicht hätten wir doch lieber die Grammatikaufgabe im Buch machen sollen. If-clauses .
    Was macht denn der Schüler unterm Tisch?
    Ich komme ins Lehrerzimmer und will mich an meinen Stammplatz setzen. Neben dem Tisch steht Herr Werner und sortiert Fehlzettel. Er ist hochkonzentriert und nicht ansprechbar. Ich setze mich an den Tisch, aber was ist das? Ich traue meinen Augen nicht. Wer sitzt denn da? Ich gucke noch mal weg und dann wieder hin. Keine optische Täuschung. Mir gegenüber sitzt doch tatsächlich ein SCHÜLER, kippelt und grinst mich blöde an.
    Ein Schüler! Im Lehrerzimmer?! Hallo?! Was ist denn jetzt los? Der einzige schülerfreie Ort in der Schule invaded ? Ich bin fassungslos. Wie kommt der hier rein? Was will der hier? Und warum traut der sich sogar, hier zu kippeln?
    Vielleicht ist der mit Herrn Werner hier. Vielleicht muss er mit Herrn Werner ein pädagogisches Gespräch führen. Aber dafür gibt es doch den Tisch VORM Lehrerzimmer. Vielleicht muss er eine Arbeit bei Herrn Werner nachschreiben. Aber dafür gibt es doch den Tisch VORM Lehrerzimmer.
    »Kollege Werner, äh, guck mal, was …?«
    »Du, ich kann grad nicht«, sagt Herr Werner und verschwindet Richtung Sekretariat. Ich gucke zum Schüler. Der kippelt hin und her und grinst dazu – unverschämt. »Sag mal, was machst du hier?«, frage ich unfreundlich.
    »Ist doch meine Sache«, antwortet er und kippelt noch heftiger.
    »Schüler haben hier nichts zu suchen! Das hier ist ein LEHRERzimmer!«, zische ich, springe auf und zerre ihn vom Stuhl. Der muss hier raus. Ich kann mich nicht entspannen, wenn da ein Schüler ist. Er wehrt sich. Ich werde grob. Er taumelt, ich lasse los, er fällt theatralisch zu Boden und bleibt unterm Tisch liegen. Er macht einen auf bewusstlos. Ich kicke ihn leicht mit dem Fuß. »Los, steh auf, und geh raus!« Er regt sich nicht.
    Plötzlich kommen die Kollegen. »Was macht denn der Schüler unterm Tisch?«
    »Das frage ich mich auch. Der hat doch gar nichts hier verloren. Der muss raus!«, sage ich und hole mir einen Kaffee. Sollen sich doch die Kollegen darum kümmern. Frau Schwalle kniet neben dem Schüler: »Der bewegt sich gar nicht mehr«, sagt sie mit zittriger Stimme.
    »Ach, der simuliert nur«, rufe ich aus dem Küchenbereich.
    Dann wache ich auf. Es ist fünf Uhr. Und es sind Ferien. Ein kippelnder Schüler im Lehrerzimmer – was kommt als Nächstes? Werde ich davon träumen, dass Ronnie mir die Haare abschneidet? Dass mir Marcella auf den Rücken springt und von mir nach Hause getragen wird, damit sich ihre Eltern ihr Zeugnis ansehen? Oder dass ich den Fernseher anmache und auf jedem Sender nur noch meine Schüler zu sehen sind? Dass Funda und Emre bei mir klingeln und fragen, ob ich runterkomme?
    Kann ich nicht einfach nur Ferien haben? Ferien von allem? Ferien ohne eine einzige Person unter fünfundzwanzig?
    Er sieht voll aus wie aus der Zalando-Werbung
    »Ihr hattet doch gestern bei dem neuen Mathelehrer, oder? Wie war das

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