Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
7. Klasse. Wenn es schlimmer wird, schicke ich einen Schüler, die kann ich nämlich nicht alleine lassen. Aber dann musst du kommen. Okay?«
»Okay.«
Ich schleiche ins Lehrerzimmer zu meinem Fach. Aua, aua. Gabi kommt mir hinterher: »Du, Frau Freitag, auf Kaffee solltest du aber verzichten. Alles, was den Magen jetzt reizt, geht nicht.« Oh Mann, wie ich das hasse. Immer, wenn man was hat, soll man auf Kaffee und Zigaretten verzichten. Sehe ich gar nicht ein. Da ist man schon krank, und dann darf man nicht mal rauchen? Und auf Tee umsteigen? Das klappt ja nicht mal, wenn man gesund ist.
Dann die 7. Klasse. Genau das brauchst du, wenn es dir nicht gutgeht. Ein Haufen Irrer fliegt in den Raum. Alle schreien durcheinander, keiner geht an seinen Platz. Mert sitzt direkt vor meiner Nase. Die Schmerzen werden schlimmer. »Was haben Sie?«, fragt er. Er merkt, dass ich irgendwie anders bin. Heute stehe ich nicht wie sonst in der Mitte des Raumes und domptiere die Schüler an ihre Plätze. Ich bleibe an meinem Tisch sitzen. »Ich habe Bauchschmerzen.« Ich höre mich an wie die Entschuldigungszettel von Marcella. »Wegen starker Bauchschmerzen konnte Marcella dies nicht und das nicht und schon gar nicht in die Schule kommen.«
Mert überlegt. »Warum kommen Sie dann in die Schule? Warum bleiben Sie nicht zu Hause?« Ja, warum bleibe ich nicht zu Hause? Ich habe wahrscheinlich Magenkrebs.
Ich stehe auf und setze mich so lehrermäßig mit der halben Arschbacke auf Merts Tisch, um die Aufmerksamkeit der Schüler zu bekommen. Klappt nur bedingt. »Setzt euch mal hin! Sie hat Bauchschmerzen!«, brüllt Mert seine Mitschüler an. Ich hauche mit letzter Kraft: »Danke. Geht schon. Pack mal dein Buch aus.«
Irgendwie machen wir dann Unterricht. Irgendwie sind sie etwas gedämpft. Irgendwie überleben wir alle die Stunde. In der Pause gehe ich eine Zigarette rauchen. Aus purer Gewohnheit. Und als ich wieder in meinem Raum bin, merke ich: Die Schmerzen sind weg. Ich bin geheilt.
Fazit: Bei einer Magenschleimhautentzündung muss man in einer besonders anstrengenden 7. Klasse unterrichten und sofort im Anschluss eine Zigarette rauchen, dann ist die Entzündung weg.
Gezielte Demotivation
Mein neues Credo: Motivation durch gezielte Demotivation. Alle aquarellieren fröhlich vor sich hin. Die Stimmung ist gut. Die Schüler sind ausgesprochen nett, zuvorkommend und höflich. Nur Ronnie sitzt vor mir und weigert sich, mit der Aufgabe zu beginnen. Ich fordere ihn mehrmals dazu auf, dann ignoriere ich ihn für den Rest der Stunde.
»Abdul, bist du eigentlich noch am Realschulabschluss interessiert?«
»Klar, sicher.«
»Und ist dir auch bewusst, dass du dich noch SEHR verbessern musst, wenn das noch was werden soll?«
»Hm, ja.«
Vor ein paar Tagen habe ich meiner Klasse endlich ihre Zensuren mitgeteilt. Allerdings dann doch ohne die Rede, die ich mir vorgenommen hatte.
»Soll ich dir mal zeigen, wie dein Zeugnis im nächsten Halbjahr aussehen muss, damit du es noch schaffst?« Er nickt.
»Also, pass auf!« Ich schreibe groß Abdul an die Tafel und unterstreiche seinen Namen. »Du weißt ja, dass du in den meisten Fächern insgesamt – also in beiden Halbjahren zusammen – auf 14 Punkte kommen musst. Das heißt zum Beispiel für Deutsch, dass du da acht Punkte brauchst. Eine Drei. Schaffst du doch locker. In Englisch brauchst du sogar eine Zwei – mindestens neun Punkte. Aber das sollte ja kein Problem sein, denn eine Vier hast du ja schon. Hups, Mathe, da müsstest du elf Punkte haben, also eine Eins.«
Kollektives Gelächter in der Klasse.
»Ach, Abdul, lass dich nicht verunsichern. Das schaffst du schon. Okay, weiter. Bio und Physik wird nicht so das Problem – auch jeweils eine Zwei. Und in Chemie – oh, das wird haarig, da bräuchtest du dreizehn Punkte. Das wird wohl nichts, weil du da ja nur zwölf Punkte bekommen kannst.«
Ich stelle mich neben die Tafel und lasse die Zahlen ein wenig nachwirken. Abdul schweigt. »So, jetzt sag mal, in welchen Fächern du dich wahrscheinlich nicht mehr verbessern kannst. Denn zwei können wir streichen.«
»Na, ich denke in Chemie und in Mathe.«
Ich streiche die beiden Fächer weg. »Voilà, hier, Abdul. So muss dein zweites Halbjahreszeugnis aussehen. Geht doch, schaffst du schon. Das packst du.«
»Noch jemand Interesse an einer Beispielrechnung?«
Sofort melden sich mehrere ziemlich hoffnungslose Kandidaten. Ich laufe zur Höchstform auf. Ich sage: »Bilal, eine Zwei
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