Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
eine Hälfte der Klasse ist noch nicht fertig, die andere schon. Unangenehmer ist aber, dass ich mir zwar gestern eine neue Kunstaufgabe ausgedacht habe, die verlangt jedoch leider nach einer kleinen Vorbereitung, die ich über Nacht nicht leisten konnte – farbkopieren, laminieren und so weiter.
Jedenfalls versuche ich, den Anfangsteil – Organisatorisches – zu strecken. »Marina, vielleicht berichtest du mal von dem Klassensprechertreffen gestern. Ihr habt doch über die Cafeteria gesprochen. Was ist denn da jetzt rausgekommen?« Die Cafeteria ist uns Lehrern ein Dorn im Auge. Die Schüler halten sich gerne da auf und hinterlassen sie unheimlich verdreckt. Jeder schmeißt seinen Müll einfach auf den Boden, und jeden Nachmittag sieht es dort aus wie nach der Loveparade.
Marina kommt nach vorne. Alle verstummen. Komischerweise hört meine Klasse ihren Mitschülern stets aufmerksam zu. Bei mir unterhalten sie sich immer. Aber die Schüler schreien sich auch nicht gegenseitig an – ich werde ja öfter mal laut. Marina fragt höflich: »Ronnie, könntest du so viel Respekt haben, mir zuzuhören, wenn ich spreche?« Daraufhin errötet und verstummt er sofort.
Marina berichtet, dass die Cafeteria geschlossen werden soll, wenn sich in Sachen Müll nichts tut. Sie schlägt vor, dass wir Plakate malen, um die Schüler zur Sauberkeit anzuhalten. Plakate malen – super, damit kriege ich die Stunde rum! Sofort rufe ich: »Ich hole welche – welche Farben wollt ihr?«, und stürze nach unten in den Materialraum. Als ich wiederkomme, stehen Marina und Abdul vor der Tafel und diskutieren mit den anderen, was sie auf die Plakate schreiben könnten. Ich sage: »Lasst uns mal lustige Sprüche machen, damit die Schüler auch was zu lachen haben. Zum Beispiel: Stühle ranstellen ist king , vallah !«
Die Schüler kichern, und sofort fallen ihnen noch andere Sprüche ein. Nach fünf Minuten ist die Tafel vollgeschrieben, und die Aufgaben sind verteilt. Jeder sitzt alleine oder zu zweit an einem Plakat und schreibt. Die Poster sind in Nullkommanix fertig, sehen super aus und werden sofort von den Schülern aufgehängt. Darunter sind ganz herrliche Aufforderungen, die Cafeteria sauberzuhalten:
»Machst du Dreck weg, sonst gehst du Plankton« (Hat wohl irgendwas mit Spongebob zu tun.) Und Abdul besteht noch auf dem Zusatz »Du Rabauke!«.
»Die Cafeteria ist das Gesicht der Schule und der Schüler.« Abdul besteht darauf, dass man »Schüler/innen« schreibt. Sieh an, sieh an, der Abdul, von wem er das wohl hat? Von mir jedenfalls nicht.
»Die Schule ist dein zweites Zuhause, schmeißt du dort deinen Dreck auf den Boden?«
»Abdul und Bilal sagen dich: Die Entsorgung des selbstfabrizierten Abfalls wäre wünschenswert.«
Von mir: » Lan , stell die Stühle ran!«
Das schönste Plakat allerdings kommt von Elif und hängt jetzt gleich am Eingang der Cafeteria: »Hello Kitty findet Sauberkeit süüüüüß!«
Schon in der nächsten Pause gibt es sehr positive Reaktionen. Alle Schüler lesen und lachen. Mittags sehe ich zwei Mädchen aus der Neunten fegen. Abdul erzählt mir, dass er sie gefragt hat, warum sie fegen: »Na, wir haben die Plakate gelesen.«
Bevor ich nach Hause gehe, gucke ich noch mal in die Cafeteria. Alle Stühle stehen ordentlich an den Tischen, und NIX liegt auf dem Boden.
Schüler, ich liebe euch! Meine Klasse rockt, aber big time !
Ich erkläre Ohrhaare
Der Unterricht in der 7. Klasse – nicht gerade eine Glanzleistung. Wir steigern nun schon seit Wochen mehr oder weniger erfolgreich diverse Adjektive. Zur erfolgreichen Vermittlung des Superlativs habe ich mir Seiten aus dem Guinnessbuch der Rekorde kopiert – aus einer englischen Ausgabe, die ich in Amerika erworben habe.
Ich greife auf eine Unterrichtskonzeption zurück, die ich vor Jahren für eine andere Gruppe erstellt hatte. Ich plane die Stunde so, wie ich es irgendwann mal gelernt habe. Hypothesen am Anfang. Eine Folie mit vier Fragen:
1. Wer hat die längsten Ohrhaare, und wie lang sind die?
2. Wer hat die meisten Finger und Zehen?
3. Wer hat den längsten Bart?
4. Wie lange dauerte die längste Schluckaufattacke?
(Natürlich alles auf Englisch.)
Unter jeder Frage stehen drei mögliche Antworten.
Ich schmeiße den Overhead-Projektor an und warte. Die Schüler melden sich und stellen ihre Vermutungen an. Ich erkläre Ohrhaare.
Dann verteile ich ein Arbeitsblatt mit elf weiteren Fragen. Leider stehen die nur in der Fremdsprache auf
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