Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
village. « Er stoppt, guckt mich an, grinst. »Frau Freitag, aber jetzt nicht so Dorf wie …«
» English, please! «
» It is not little village like you think. «
» It is big village? « Sprachliche Vereinfachungen meinerseits dienen der Aufrechterhaltung der Kommunikation.
» No, is not big village but every people have house. Big house and all peoples works. Da gib ’ s W-Lan!«
Trotz der Beschreibung von lauter Einfamilienhäusern im Libanon sehe ich Tumbleweed durch die Wüste rollen, Schafe und Beduinen. Irgendwie scheint Abdul das zu merken.
»Ist nicht Dorf, wie Sie denken, Frau Freitag. Alle haben Häuser.«
»Und ihr habt das größte Haus, oder?«
»Ja. Meine Familie ist die größte Familie dort.«
» And your cousins, do they speak any German? «
» No .«
» So you speak Arabic with them. Do they laugh about you? «
» No. It is normally for them. « Normally – das lieben die Schüler.
Ich frage, ob er denn auch auf Arabisch schreiben kann. Er klärt uns auf, dass man ja von rechts nach links schreibt – »Wie die Japaner.«
Insgesamt erfahren wir viel über türkische Dörfer, syrische Grenzgebiete und wie man von Deutschland nach Sizilien kommt.
Dort im Dorf gäbe es einen Raum, wo man alles über die Mafia erfahren kann. Den Part habe ich nicht ganz verstanden, aber ich frage auch lieber nicht so genau nach.
Ich bekomme Fernweh. Ich will auch meine Oma im Libanon besuchen. Ich will gutes türkisches Essen, das mir ständig gereicht wird, wenn ich einmal im Jahr in »unser Dorf« komme. Ich will mit meinen tausend Cousins im Meer spielen oder auf dem Dorfplatz – die wenigsten Schüler haben »unser Dorf« am Meer. Können die Schüler mich nicht mal mitnehmen? Ich wäre auch voll höflich und nett und immer Schuhe aus und so. Und ich würde auch mitbeten. Täte meiner Wirbelsäule gut. Ist ja wie ein halber Sonnengruß.
Ach, die haben es schon gut. Ronnie, Peter und ich gucken ganz neidisch. »Jetzt müssen Sie aber Peter auch fragen, wo seine Familie herkommt«, sagt Abdul.
Und dann erzählt uns Peter, wie ungern er in Deutschland lebt und dass er unbedingt auswandern will. Wir sind alle baff.
Wohin denn?«
» Great Britain or America. « Und das alles in herrlichstem Englisch.
Penis
Ach, der Dschinges, erst ist er krank, dann sind zwei Wochen Ferien, und heute steht er wieder vor mir. Ich sitze an meinem Pult und sortiere irgendwelche Zettel von links nach rechts, als ich seine Stimme höre. »Frau Freitag! Ich hab Sie sooo vermisst.«
»Hm, ich dich auch«, murmele ich, ohne aufzusehen. Das mache ich oft. Aber zu viel Multitasking ist irgendwie unhöflich, also gucke ich hoch. Und kriege voll Augenschock. Dschinges steht vor mir – dunkelbraun!
»Was ist denn …?«, frage ich.
»Selbstbräuner«, flüstert er und fügt ein leises »Sieht schlimm aus, oder?« hinzu.
»Na ja, schlimm. Ach, nö, na ja, eigentlich sieht es ganz süß aus.« Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Was sagt denn Herr Werner dazu?« Sein Klassenlehrer hat sich ja wahrscheinlich auch schon schlapp gelacht über Dschinges’ neuen Teint.
»Der hat mich nur gefragt, warum ich eine dicke Wolljacke anhabe, obwohl es doch heute so warm ist.« Während er redet, schiebt er den Ärmel hoch, so dass ich seinen Arm sehen kann. Der ist viel heller als sein Gesicht.
»Äh, Dschinges, was ist denn mit dem Arm? Hast du da nichts draufgemacht?«
»Doch, einmal. Und so sah das dann auch im Gesicht aus. Und dann habe ich es aber noch mal im Gesicht raufgesprüht und bin dann ins Bett gegangen. Als ich heute Morgen in den Spiegel geguckt habe, hab ich voll Schock bekommen.«
»Er hat sich das auch in die Haare gesprüht«, schreit Dirk von hinten. Dschinges ist das alles sehr peinlich, er ist ungewöhnlich still.
»Lasst uns anfangen. Setzt euch jetzt mal hin.«
Ich erkläre die Aufgabe, es soll um Schrift im weitesten Sinne und um eine simple Graffitischrift im engeren Sinne gehen. Alle sitzen mit Zeichenvorlagen an ihrem Platz. Yunus ist zum ersten Mal in meinem Unterricht. Nein, stimmt nicht, im ersten Halbjahr hat er auch schon an zwei Stunden teilgenommen. Wollen wir mal nicht so pingelig sein. Jetzt sitzt er ja da und zeichnet friedlich vor sich hin. Irgendwann will er mir sein Zwischenergebnis zeigen. Ich hatte gesagt, dass sie erst mal ihren Namen schreiben sollen. Yunus hält stolz sein Blatt hoch, und da steht in krepliger Graffitischrift: PENIS.
»Was soll das denn?«, frage ich
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