Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
Deutschen Bank verdient am besten.«
Abdul ist immer noch an meinem Werdegang interessiert: »Aber warum haben Sie dann nicht was anderes studiert? Irgendwas, wo man mehr Geld verdient.«
»Weißt du, Abdul, Geld ist auch nicht alles. Der Beruf muss einem doch auch Spaß machen. Und mir macht Lehrersein halt Spaß.«
»Und Sie sind Beamtin«, sagt Abdul.
»Nein, bin ich nicht. Ich bin Angestellte.«
»Was? Sie sind nicht Beamtin? Beamte darf man ja nicht beleidigen. Das ist dann Beamtenbeleidigung.«
»Ja, ja, mich darfst du beleidigen.«
Ich schließe die Tür ab und begebe mich Richtung Lehrerzimmer. Abdul neben mir. Herr Werner kommt aus einem Raum und schließt die Tür ab.
»Guck mal, Abdul, Herr Werner ist Beamter. Den darfst du nicht beleidigen.«
»Ja, Herr Werner, genau, das wäre dann nämlich Beamtenbeleidigung.«
Dialog in meiner Klasse
»Sieg Heil.«
Ich: »Justin, was soll das? So was will ich hier nicht hören!«
Miriam: »Wieso? Wer ist denn Sieg Heil?«
Obama got Osama
»Frau Freitag, haben Sie gehört, dieser Bin Laden ist tot.«
»Ja, habe ich gehört.« Endlich. Genau für solche Fälle tue ich mir meine tägliche Ration Frühstücksfernsehen an. Es könnte ja was Weltbewegendes passiert sein.
Erste Stunde mit meiner Klasse. Eigentlich sollen sie Hausaufgaben machen oder lernen, aber sie sitzen und quatschen. Ich übe mich in engagierter Gelassenheit.
»Hat jemand die Unterschriften für den Elternabend dabei?«
»Welche Unterschriften? Welcher Elternabend?«
»Habt ihr an das Geld für den Fotografen gedacht? Das müsst ihr heute abgeben.« Der Fotograf kommt jedes Jahr und fotografiert die Klassen. Die Schüler bekommen die Bilder, und wenn sie sie behalten wollen, dann müssen sie die bezahlen.
»Oh, habe ich vergessen.«
»Ich auch.«
»Welches Geld? Welcher Fotograf?«
Engagierte Gelassenheit! Fragen, Antwort abwarten, keine Emotionen ausschütten. Dann gibt es eben keine Unterschriften und kein Geld. Emotionslos lebt es sich echt besser.
Ich miste meine Regale aus und schalte mich ab und zu in die Unterhaltungen ein.
»Wisst ihr denn, wer Osama Bin Laden war?«
»Ja, der hat doch letztes Jahr diesen Terroranschlag gemacht.«
»Letztes Jahr?«
»Mann, das war 2001, du Spastenkind.«
Das habe nicht ich gesagt. Gedacht vielleicht schon. Engagierte Gelassenheit heißt auch, dass man nicht jeden Schwachsinn sofort beantwortet, sondern erst mal abwartet, ob nicht irgendein Schüler mal was weiß.
»Frau Freitag, haben die den einfach so umgebracht?«, fragt Elif.
»Ja, ich glaube schon.«
»Kopfgeld«, stellt Abdul trocken fest.
»Nein, Abdul, das war so ein Sondereinsatzkommando von den Amerikanern.«
»Aber Kopfgeld.«
»Nein, die bekommen höchstens Orden oder so was.«
»Aber Frau Freitag, woher wissen die denn, dass es Bin Laden war mit den Türmen?«
Ich erkläre, dass er der Chef von al-Qaida war.
Marcella: »Ich glaube, dass das die Amis selbst waren, denn die Explosion kam ja von unten … Blablabla, Verschwörungstheoriebla … Galileo hat gezeigt, dass die Türme von unten … blablabla.«
»Nein, also das waren ganz bestimmt nicht die Amis. Erstens, warum sollten sie das tun, damit zeigen sie sich doch als ganz schwach, und außerdem sind da ja offensichtlich zwei Flugzeuge reingeflogen.«
»Ja, und letztes Jahr hat man gesagt, dass das Palästinenser waren«, sagt Abdul.
»Hä, Palästinenser? Also, man weiß doch, wer die Flugzeuge gekidnappt hat. Das war doch unter anderem dieser Mohammed Atta, und der war doch Ägypter«, sage ich und bin kurz davor, meine engagierte Gelassenheit zu vergessen.
Elif ist verwirrt: »Also doch nicht Osama Bin Laden?«
»Nein, der hatte denen aber den Auftrag gegeben.«
»Höhö, der war Auftraggeber«, kichert Abdul.
»Ja, sozusagen.«
Ich räume weiter auf. Die Hälfte meines Regals sieht schon super aus.
»Aber warum haben die ihn nicht nach seinen Gründen gefragt?«, will Asmaa noch wissen.
»Wen?«
»Diesen Bin Laden. Warum haben sie nicht nach seinen Gründen gefragt?«
»Gründen? Ach, du meinst seine Beweggründe. Na, das brauchte man doch nicht mehr zu fragen, das wusste man doch schon alles: Hass auf die westliche Welt.«
»Frau Freitag, können wir nicht Hansapark gehen, oder Phantasialand?«, schreit Funda durch den ganzen Raum. HANSAPARK?! PHANTASIALAND?! Ich arbeite doch die ganze Woche im Phantasialand.
»Och nö, Kinder, ich will nicht noch mal in so einen Park. Wir waren doch schon
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