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Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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Bart
    »Da wurde ein Baby geboren, das hatte einen Bart. Und das Baby konnte sprechen, und dann hat das Baby gesagt, dass die Welt untergeht, und dann ist es gestorben.«
    Ahmet sitzt vor seinem Bild und pinselt. Mann, wie der den Pinsel hält – als täte es weh, den normal anzufassen.
    »Baby mit Bart, alles klar, Ahmet«, sage ich.
    »Waaas, glauben Sie nicht?«
    »Nein, glaube ich nicht. Baby mit Bart – okay. Mutation. Aber sprechen? Nein. Sorry, echt nicht.«
    »Waaas, echt nicht?« Ahmet wird etwas lauter. Dieses Baby scheint ihm am Herzen zu liegen. »Das stimmt! Diese Baby gab’s wirklich, vallah !« Als ob sein »vallah« mich jetzt umstimmen würde.
    Dschinges liegt ausgestreckt auf dem Tisch und hört zu. Wir quatschen schon die ganze Stunde. Dschinges hat zehn Minuten gemalt. Dann hatte er keine Lust mehr. Jetzt sitze ich auf seinem Platz und arbeite an seinem Bild, und er hat sich hinten abgelegt. Ich hatte ihn gebeten, mir was über Ratko Mladic´ zu erzählen. Wir lauschen gebannt seinen detailreichen Ausführungen zum Bürgerkrieg. Während seines Vortrags unterbreche ich ihn mehrmals. »Dschinges, sag’s noch mal.«
    »SREBRENICA.«
    Niemand kann diesen Ort so schön aussprechen wie Dschinges.
    Als Dschinges berichtet, was alles Schreckliches während des Massakers dort passiert ist, wird Ahmet immer unruhiger. Dschinges lässt sich nicht lumpen und reiht eine Horrorgeschichte an die nächste. Plötzlich unterbricht ihn Ahmet: »In Palästina war viel schlimmer.«
    Das lässt Dschinges nicht auf sich sitzen: »Was schlimmer? Bei uns war schlimmer.«
    »Gar nicht. In Palästina ist schlimmer. Weißt du, wie lange dort schon geht?«
    Ich versuche zu schlichten: »Jungs, jetzt streitet euch mal nicht.« Mittlerweile schreien sie sich nur noch mit »WAS Palästina?«, »WAS Bosnien?« an. »Dschinges, Ahmet, also, ihr habt ja beide recht.« Wir einigen uns darauf, dass der Palästinakonflikt länger dauert, dafür das Massaker in Srebrenica aber schlimmer war. Damit können beide leben. Dschinges hat sich jetzt allerdings so verausgabt, dass er nur noch liegen kann.
    Nach einer kurzen Pause kommt dann Ahmet mit seinem bärtigen Baby.
    »Also, Ahmet, ich glaube das nicht.« Gleich explodiert er wieder. Ich kann es genau beobachten, wie er sich aufplustert, um mit aller Kraft seine Story vom sprechenden Baby zu verteidigen.
    »Das stimmt! Das wurde gefilmt!« Wird ja immer besser.
    »Wie, gefilmt, Ahmet? Da war also zufällig ein Kamerateam dabei, als das bärtige Baby geboren wurde.«
    Jetzt mischt sich Manuel ein: »Wieso? Könnte doch sein.«
    »Hm, klar. Ist ja auch bei jeder Geburt ein Kamerateam dabei. Ahmet, ich kann also bei YouTube das sprechende Baby sehen?«
    Ahmet – vor Aufregung schon mit gerötetem Kopf: »Was, YouTube? Das ist nicht auf YouTube.«
    »Also wie jetzt, ich dachte, das wurde gefilmt? Wo hast du das denn gesehen? Im arabischen Fernsehen?«
    »Ich habe das gar nicht gesehen. Aber meine Mutter hat mir das erzählt.«
    Ah, jetzt wird mir auch klar, warum er unbedingt an diesen Schwachsinn glauben möchte. Schließlich hat die heiligste aller Verwandten ihm vom sprechenden Baby erzählt.
    Als Ahmet endlich merkt, dass niemand außer ihm an bärtige Säuglinge glaubt, versucht er es mit der Geschichte eines acht Meter großen Hodschas, der irgendwo beerdigt sein soll.
    »ACHT Meter …«
    Habe ich ihm das geglaubt? Nö. Habe ich nachgefragt? Sicher. Haben wir noch über Dinosaurier, Affen, Schraubenzieher und den Koran gesprochen? Klar.
    Phantasialand und Hansapark
    »Heidepark«, jammert Musti. Ich gebe unmissverständlich zu verstehen, dass ich für einen weiteren Heideparkbesuch nicht zur Verfügung stehe, mein Trauma vom letzten Schuljahr reicht völlig aus.
    »Du kannst gerne in den Sommerferien dorthin fahren, Musti.«
    Eigentlich hatte ich meiner Klasse versprochen, dass wir noch an die Ostsee fahren. Die Organisation dieses Projekts nimmt mich aber schon wieder so in Anspruch wie im Jahr zuvor der Ausflug in den Heidepark: Internet, Bus, Bahn, Reisebüro …
    Also sage ich den Schülern, dass ich ja in den letzten Wochen vor den Ferien immer nur noch eine Klasse mit elf Leuten im Unterricht habe und ich deshalb beschlossen hätte, nicht mit ihnen die Stadt zu verlassen. Ich höre noch vereinzelt leichtes Wimmern.
    »Phantasialand? Hansapark?«
    Überraschenderweise akzeptieren die Schüler aber ziemlich schnell, dass ich nicht mit ihnen wegfahren möchte, und diesmal

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