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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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Weltwirtschaftskrise das Produktionsniveau im Deutschen Reich mit Raten von 3,5 Prozent (1930) und verheerenden 10,8 Prozent (1931). 3 Wahrlich ein Horrorvergleich, denn zwei Jahre später kamen die Nationalsozialisten an die Macht.
    So viel zur Statistik der Krise. Der konkrete Ablauf der Ereignisse des Jahres 2009 war noch viel dramatischer als die reinen Zahlen. Die weltweite Finanzkrise hatte mit dem Zusammenbruch des amerikanischen Bankhauses Lehman Brothers schon im September 2008 ihren Gipfelpunkt erreicht: Der Geldkreislauf stockte weltweit, und nur durch massive geld- und fiskalpolitische Notmaßnahmen konnte die Refinanzierungsmöglichkeit der Banken wiederhergestellt werden, da der private Markt für kurzfristige Kredite praktisch zusammengebrochen war. 4 Es kam dann – bei weit offenen Liquiditätsschleusen – zu einer gewissen Stabilisierung. Aber es blieb doch eine tiefe Verunsicherung in den Finanzmärkten, die mit atemberaubender Geschwindigkeit auf die Gütermärkte übergriff. So wurde das Jahr 2009 zu einem volkswirtschaftlichen Albtraum, vor allem in den ersten Monaten. Der Welthandel brach zusammen, was schnell und unmittelbar auf die weltmarktorientierte Industrie übergriff. Die deutschen Exporte fielen im Jahr 2009 um fast 15 Prozent; die Investitionen brachen sogar um 20 Prozent ein, denn unter den herrschenden Verhältnissen wurden möglichst alle Projekte, die noch irgendwie zu stoppen waren, auch tatsächlich angehalten oder zurückgestellt. Dadurch traf der Einbruch mit voller Wucht die klassischen deutschen Investitionsgüterindustrien, vom Maschinen-, Fahrzeug- und Werkzeugbau bis zur Elektrotechnik und Feinmechanik. Er traf kaum weniger das Baugewerbe, die Grundstoffindustrien und das Transportwesen. Lediglich die Konsumgüterindustrie blieb weitgehend von der Talfahrt ausgespart, einfach weil der private Verbrauch immer viel träger auf veränderte Zukunftserwartungen reagiert als die stark ertragsabhängigen Investitionen.
    Das Jahr 2009 begann also mit einer konjunkturellen Katastrophe, wie es sie seit der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 nicht gegeben hatte. Allenfalls der Zusammenbruch des Welthandels 1975 im Gefolge der Ölkrise konnte da noch mithalten, aber selbst der bewegte sich in erheblich maßvolleren Größenordnungen. Zwar stabilisierte sich die Lage ab Mitte des Jahres, aber sie tat es zunächst auf niedrigem Niveau. Jedenfalls war das Ausmaß der Unterauslastung der Produktionskapazitäten der deutschen Industrie im Durchschnitt des Jahres 2009 auf einem historischen Höchststand ( Schaubild 1 ): Seit 1960 befragt das ifo Institut München in vierteljährlichem Rhythmus die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes nach dem Auslastungsgrad ihrer Produktionskapazitäten, und in den ersten beiden Quartalen 2009 erreichte der Index dieser Auslastung sein bisher niedrigstes Niveau, deutlich niedriger als in den Rezessionsjahren 1967, 1975, 1982 und 1993.

    Früh reagierten die Experten auf die Verschlechterung der Lage. Schon ab November 2008 wurden die Prognosen grundlegend revidiert, und zwar für das Wachstum nach unten und für die Arbeitslosigkeit nach oben. Im Laufe des Frühjahrs setzte sich die Erkenntnis durch, dass wohl mit bis zu fünf Millionen Arbeitslosen, also einer Quote von rund elf Prozent, zu rechnen sein sollte. Zunichtegemacht würden damit praktisch alle Fortschritte, die seit Mitte des Jahrzehnts im Zuge des vorangegangenen Aufschwungs am Arbeitsmarkt erreicht worden waren. An dieser allgemeinen Meinung änderte sich zunächst auch nichts, als sich seit Mitte des Jahres die deutsche Wirtschaft stabilisierte und wieder mit einer gewissen konjunkturellen Erholung gerechnet wurde.
    Für diese Auffassung fanden die Experten gute historische Orientierungspunkte in der Vergangenheit der letzten drei großen Rezessionen. In der Tat hatte jeder dieser schweren konjunkturellen Einbrüche einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit gebracht, aber anschließend einen nur sehr mäßigen Rückgang. So waren ein bis zwei Jahre nach dem Tiefpunkt der Kapazitätsauslastung 1993 über 700.000, 1982 fast eine Million und 1975 knapp 500.000 mehr Arbeitslose übrig geblieben, als es im Jahr vor dem Tiefpunkt der jeweiligen Rezession gegeben hatte ( Schaubild 2 ). Genau diese tief sitzende Erfahrung gab den Anlass, die Erholung am Arbeitsmarkt eher skeptisch zu beurteilen, selbst dann, wenn die Wirtschaft auf einen Wachstumskurs zurückfinden würde.
    Es kam ganz

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