Volle Deckung Mr. Bush
für die anderen Angehörigen der 3 000 Opfer hat sich das Leben verändert. Sie werden diesen Kummer ein Leben lang mit sich herumtragen. Man sagt ihnen, das Leben müsse
weitergehen. Wohin weiter? Wer jemanden verloren hat (und
ich schätze, irgendwann geht das so ziemlich jedem so), weiß, daß freilich das Leben weitergeht, aber das Ziehen im Bauch
und der Kummer im Herzen werden nie vergehen. Genau
deshalb muß man einen Weg finden, den Schmerz anzunehmen
und ihn für sich selbst und die anderen Lebenden zu nützen.
Irgendwie wursteln wir uns alle durch unsere persönlichen
Verluste durch, stehen am nächsten und am übernächsten
Morgen auf und machen Frühstück für die Kinder, stopfen die
Wäsche in die Waschmaschine, bezahlen die Rechnungen und…
Auch im weitentfernten Washington hat sich das Leben
verändert. Ein selbsternannter Präsident nutzt unseren Kummer und unsere Angst, daß »es« noch einmal passieren könnte. Er
benutzt die Toten des 11. September als willkommene
Rechtfertigung, um das Leben in Amerika für immer zu
verändern. Sind die Opfer dafür gestorben, daß George W. Bush das ganze Land in Texas verwandeln darf? Seit dem 11.
September haben wir bereits zwei Kriege gerührt und ein dritter oder vierter Krieg sind durchaus wahrscheinlich. Wenn wir
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zulassen, daß das so weitergeht, bringen wir alle Schande über die 3 000 Toten. Ich weiß, daß Bill Weems nicht gestorben ist, um als Vorwand für die Bombardierung Unschuldiger
herzuhalten. Wenn sein Tod und sein Leben eine Bedeutung
haben sollen, müssen wir dafür sorgen, daß niemand mehr sein Leben in dieser wahnsinnigen und gewalttätigen Welt opfern
muß, in einer Welt, in der wir am liebsten auf der Stelle abhauen möchten, irgendwohin, wo es uns gefällt.
Vermutlich sollte ich mich glücklich schätzen, daß ich dieses Vorwort überhaupt schreiben darf. Nicht nur, weil ich im
wunderbarsten Land der ganzen Welt! lebe, sondern auch, weil mein Verlag Regan Books (der zum Verlag HarperCollins
gehört, der wiederum zur News Corp gehört, der auch die Fox
News gehören und alles zusammen gehört Rupert Murdoch)
nach dem 11. September alles daran setzte, meine Karriere als Autor frühzeitig zu beenden.
Die ersten 50 000 Exemplare von Stupid White Men kamen am 10. September aus der Druckerei, doch als die Katastrophe am nächsten Morgen losbrach, fuhren die Lastwagen, die die
Bücher an die Buchhandlungen des Landes ausliefern sollten,
gar nicht erst los. Der Verlag hielt die Bücher dann fünf lange Monate in Geiselhaft - aber nicht aus Respekt vor den Opfern oder aus Anstand (was ich vielleicht noch verstanden hätte), sondern weil er mich und meine Aussagen zensieren wollte. Die Leute vom Verlag bestanden darauf, daß ich bis zu 50 Prozent des Buchs umschreiben und Passagen streichen sollte, die sie als Beleidigung des Präsidenten George W. Bush betrachteten.
Ich weigerte mich, auch nur ein Wort zu ändern. Jeder beharrte auf seinem Standpunkt, bis eine Bibliothekarin in New Jersey mitbekam, wie ich von einem Telefongespräch erzählte. In
diesem Gespräch hatte mir ein Verleger des Murdoch-Konzerns
gesagt, sie hätten wegen meiner Sturheit wohl keine andere
Wahl, als alle 50 000 Exemplare des Buchs einzustampfen und
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zu recyceln. Die Bücher verstaubten damals in einem Lagerhaus in Scranton, Pennsylvania. Andere sagten mir, ich könnte meine Hoffnungen auf eine Karriere als Autor begraben, wenn erst
einmal bekannt sei, was für ein »schwieriger« Typ ich sei, eine wahre Nervensäge und nicht willens zu kooperieren.
Besagte Bibliothekarin, eine gewisse Ann Sparanese, die ich
nicht persönlich kenne, schickte eine E-Mail an verschiedene andere Bibliothekare, in der sie berichtete, daß mein Buch
zensiert werden sollte. Ihre Mail verbreitete sich schnell im Internet, und schon nach wenigen Tagen brach eine Flut von
Beschwerden wütender Bibliothekare über Regan Books herein.
Ich erhielt einen Anruf von der Murdoch-Polizei.
»Was haben Sie den Bibliothekaren erzählt?«
»Ha? Ich kenne keine Bibliothekare.«
»Oh doch! Sie erzählten ihnen, was wir mit Ihrem Buch
vorhaben, und jetzt… bekommen wir Drohbriefe von
Bibliothekaren!«
»Hmm«, antwortete ich. »Das ist bestimmt eine
Terroristengruppe, mit der Sie sich lieber nicht anlegen sollten.«
Aus Furcht, daß schon bald ein wütender Mob von
Bibliothekaren die Fifth Avenue entlangstürmen und das
Gebäude von HarperCollins
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