Volle Deckung Mr. Bush
Ihr seid nicht mehr an der Macht. Ihr wißt es, und sie wissen es, und es fehlt nur noch, daß dieser Zustand auf einem Blatt Papier schriftlich fixiert wird, und zwar in der Erklärung der Konzern-gelenkten Vereinigten Staaten von Amerika:
»Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich:
Daß alle Männer und Frauen und minderjährigen Kinder gleich
geschaffen sind, damit sie ihre Arbeitskraft ohne kritische
Fragen dem Konzern zur Verfügung stellen, damit sie klaglos
jede Art von Entlohnung akzeptieren und damit sie, ohne
nachzudenken, alle seine Produkte konsumieren. Als
Gegenleistung sorgt der Konzern für das Gemeinwohl, sichert
die Verteidigung des Landes und erhält dafür den Löwenanteil der Steuern, die das Volk bezahlt…«
Das hört sich schon heute gar nicht mehr so absurd an,
stimmt's? Die Machtübernahme wurde unter unseren Augen
bereits vollzogen. Man hat uns mit ein paar sehr starken
»Drogen« vollgepumpt, die uns ruhigstellen sollen, während wir von dieser Bande gesetzloser Konzernchefs ausgeraubt werden.
Eine dieser Drogen heißt Furcht, die andere heißt Horatio Alger.
Die Droge Furcht funktioniert folgendermaßen: Man sagt euch
immer wieder, daß euch böse, furchteinflößende Menschen töten wollen. Deshalb sollt ihr euer ganzes Vertrauen in die
Konzernherrn setzen, und sie werden euch beschützen. Weil sie wissen, was das Beste für euch ist, sollt ihr sie nicht kritisieren, wenn sie eure Gesundheitsversorgung zusammenstreichen oder
die Preise für Wohnungen drastisch erhöhen. Und wenn ihr
nicht den Mund haltet und brav an eurem Arbeitsplatz erscheint und euch den Arsch für sie aufreißt, dann entlassen sie euch.
Und dann könnt ihr lange suchen, bis ihr in dieser Wirtschaft wieder einen Arbeitsplatz gefunden habt, ihr Taugenichtse!
Diese Scheiße macht so Angst, daß wir natürlich tun, was uns gesagt wird, bei unserer öden Arbeit niemals anecken und mit unseren kleinen amerikanischen Flaggen wedeln, damit der Boß
-188-
weiß, daß wir an seinen Krieg gegen den Terror glauben.
Die andere Droge ist angenehmer. Sie ist ein Märchen und
wird uns schon in der Kindheit zum ersten Mal eingelöffelt. Und sie ist ein Märchen, das wahr werden kann! Es ist der von
Horatio Alger geschaffene Mythos. Alger war Ende des 19.
Jahrhunderts einer der beliebtesten amerikanischen Schriftsteller (eines seiner ersten Bücher für Jungen hieß Ragged Dick). Er schilderte, wie Mensche n aus ärmlichen Verhältnissen durch
Schneid, Entschlossenheit und harte Arbeit in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten enorm erfolgreiche Karrieren
machten. Seine Botschaft lautete, daß es in Amerika jeder zu etwas bringen und ganz groß herauskommen kann.
In meinem Land ist man süchtig nach solchen Vom-
Tellerwäscher-zum-Millionär-Märchen. In anderen
industrialisierten Demokratien sind die Leute zufrieden, wenn sie genug verdienen, um ihre Rechnungen zu zahlen und ihrer
Familie ein ordentliches Leben zu ermöglichen. Nur wenige
wollen um jeden Preis reich werden. Sie sind schon ganz
glücklich, wenn sie nach sieben oder acht Stunden Feierabend haben und jedes Jahr die üblichen vier bis sechs Wochen
bezahlten Urlaub bekommen. Und mit ihren Regierungen, die
für eine ordentliche Gesundheitsversorgung, für gute kostenlose Schulen und für eine ausreichende Rente im Alter sorgen, sind sie sogar noch zufriedener.
Natürlich träumen ein paar von ihnen auch davon, eines Tages Millionen zu verdienen, aber die meisten Menschen außerhalb
der USA gründen ihr Leben nicht auf Märchen. Sie leben in der Realität, und da gibt es nur wenige Reiche und man wird nicht so leicht einer von ihnen. Also gewöhnt man sich an ein
bescheidenes Leben.
Natürlich sind die Reichen in diesen Ländern sorgfaltig darauf bedacht, die Dinge nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Es gibt zwar auch habgierige Schurken in ihren Reihen, aber ihnen werden gewisse Grenzen gesetzt. In der Fertigungsindustrie zum
-189-
Beispiel verdienen britische Konzernchefs 24mal soviel wie ein durchschnittlicher Arbeiter in ihrer Branche. Das ist in Europa der größte Einkommensunterschied. Deutsche Konzernchefs
verdienen nur 15mal soviel wie ihre Arbeiter und schwedische nur 13mal soviel. Hier in den USA jedoch verdient der
durchschnittliche Konzernchef 411 mal soviel wie seine
Arbeiter in der Produktion. Reiche Europäer zahlen bis zu 65
Prozent Steuern, und sie hüten sich, allzu laut darüber zu
Weitere Kostenlose Bücher