Volle Deckung Mr. Bush
klagen, weil sie das Volk sonst womöglich noch mehr bluten läßt.
In den USA haben wir Angst, es ihnen zu zeigen. Wir stecken
unsere Konzernchefs gar nicht gern ins Gefängnis, wenn sie das Gesetz brechen. Aber wir senken gern ihre Steuern, selbst wenn unsere eigenen dann steigen!
Warum eigentlich? Weil wir die Droge geschluckt haben. Wir
vertrauen auf die Lüge, daß auch wir eines Tages reich sein
werden. Deshalb wollen wir auf keinen Fall etwas tun, das uns schaden könnte, wenn wir erst selbst Millionäre sind. Dieser typisch amerikanische Köder wird uns das ganze Leben lang vor die Nase gehalten, und wir schnappen unentwegt danach wie der Esel nach der Karotte an der Angel.
Wir glauben an das Märchen, weil wir gesehen haben, wie es wahr wurde. Ein Niemand kann es wirklich zu großem
Reichtum bringen. Es gibt heute mehr Millionäre als je zuvor.
Und diese Zunahme der Millionäre hat für die Reichen sehr
erfreuliche Auswirkungen. Sie bedeutet nämlich, daß in jeder Gemeinde mindestens eine Person wie ein wandelndes
Werbeplakat für den Tellerwäscher-zum-Millionär-Mythos
herumläuft und die gar nicht so subtile Botschaft vermittelt:
»SCHAUT HER! ICH HABE ES GESCHAFFT. IHR KÖNNT
ES AUCH SCHAFFEN!!«
Dieser Mythos hat so viele Millionen normale Arbeitnehmer in den neunziger Jahren dazu verführt, Aktien zu kaufen. Sie
sahen, wie reich die Reichen in den achtziger Jahren geworden waren, und dachten nun, Mensch, mich könnte es doch auch mal
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treffen!
Die Reichen taten ihr möglichstes, um diese Haltung zu
fördern. Ihr müßt wissen, daß 1980 erst 20 Prozent der
Amerikaner Aktien besaßen. Die Wall Street war ein Spiel für reiche Leute, das für Durchschnittsamerikaner verboten war.
Und das mit gutem Grund: Normale Menschen betrachteten die
Börse ganz realistisch als riskantes Spiel, und wer jeden Dollar spart, um seine Kinder aufs College schicken zu können,
spekuliert nicht mit seinem sauer verdienten Geld.
Gegen Ende der achtziger Jahre jedoch schrumpften die
ehemals riesigen Profite der Reichen dramatisch, und die guten Leute wußten nicht recht, wie ihre Märkte weiterwachsen
sollten. Ich weiß nicht, ob irgendein Genie bei einer
Maklerfirma draufkam oder ob es eine leise Verschwörung aller Gutbetuchten war, jedenfalls hieß es plötzlich: »Hey, überreden wir doch den Mittelstand, daß er uns sein Geld gibt und wir noch ein bißchen reicher werden.«
Plötzlich fuhren alle meine Bekannten auf Aktien ab und
steckten ihr Geld in offene Investmentfonds oder in einen 401
K-Pensionsplan (auf Aktien basierender, von den Kursen
abhängiger Pensionsplan, A. d. Ü.). Außerdem sorgten sie dafür, daß ihre Gewerkschaften das ganze Geld für ihre
Altersversorgung in Aktien investierten. In den Medien kam ein Bericht nach dem anderen, daß normale Lohnempfänger
praktisch als Millionäre in den Ruhestand gehen könnten! Es
war wie ein Fieber, das alle ansteckte. Niemand wollte seine Chance verpassen. Arbeiter riefen am Zahltag ihren Makler an und beauftragten ihn, weitere Aktien zu kaufen. Ihren Makler!
Oh, es war ja so ein tolles Gefühl… Selbst wenn du dir die
ganze Woche lang bei einem elenden Drecksjob den Arsch
aufgerissen hast, kommst du dir vor, als wärest du den anderen einen Schritt voraus und einen Kopf größer als sie, weil du deinen eigenen persönlichen Börsenmakler hast! Genau wie die Reichen, Mann!
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Bald schon wolltest du dich nicht mal mehr mit Geld bezahlen lassen: Bezahlen Sie mich in Aktien! Investieren Sie es in
meinen 401 K! Rufen Sie meinen Makler an!
Jeden Abend hast du eifrig die Aktienkurse in der Zeitung
studiert, während im Hintergrund so ein Sender lief, der
pausenlos Finanznachrichten bringt. Du kauftest
Computerprogramme, um eine Strategie zu entwickeln. Es ging
auf und ab, aber meistens ging es aufwärts, massiv aufwärts, und du hörtest dich Sätze sagen wie: »Meine Aktien sind um 120
Prozent gestiegen!« oder: »Mein Einsatz hat sich verdreifacht!«
Die tägliche Tretmühle wurde durch die Vorstellung von der
Ruhestandsvilla erträglicher, die du dir eines Tages kaufen
wolltest, oder von dem Sportwagen, den du dir gleich hättest kaufen können, wenn du sofort ausgestiegen wärst… Nein, nicht aussteigen! Die Kurse steigen immer weiter! Durchhalten und
drinbleiben! Schloßallee, ich komme!
Aber es war alles Betrug. Es war nur eine List, die sich die wirklich mächtigen Konzernherrn ausgedacht hatten. Sie
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