Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
ein Einzelkämpfer, von frühester Kindheit an auf mich alleine gestellt. Jetzt wohnte ich mit einer Frau zusammen und musste plötzlich Absprachen treffen. Wir rauften uns zusammen, Phoung wurde eine großartige Mutter und zum vollkommenen Glück unserer Familie kam 1995 unser Sohn Vincent hinzu.
Mehr als zehn Jahre später schrieb der Stern eine große Geschichte über meinen Aufstieg bei Porsche. Eine mehrseitige Reportage über meine Karriere und mein Familienleben, bei der die Umstände der Geburt von Vincent für eine ebenso humoristische wie bezeichnende Note sorgten. Die Autorin, mit der ich übrigens auch im »Ming Fat« zu Abend gegessen habe, beschrieb meinen fürsorglichen Umgang mit Phoung, nachdem ich sie ins Krankenhaus zur Entbindung gebracht hatte. Meine Gelassenheit, meinen Überblick, meine freundlichenWorte für das Klinikpersonal, bis sich die Ankunft von Vincent am Abend immer weiter verzögerte und ich ein bisschen nervös wurde. »Schatz, entweder es tut sich jetzt was oder wir haben ein Problem. Ich muss nämlich morgen früh um neun in München eine Rede halten. Da streiken IG-Metall-Kollegen!«, zitierte mich der Stern korrekt.
Ich schafft es, sowohl bei Vincents Geburt dabei zu sein als auch rechtzeitig meine Rede in München zu halten. Das Bild von Hück, der ständig unter Strom steht und an allen Fronten kämpft, passte vortrefflich. Den Spagat zwischen Familie und Beruf begreife ich heute als meine größte Herausforderung und ich glaube, ich habe das gut hinbekommen bis jetzt, trotz gelegentlicher »Fehlzeiten« zu Hause. Ich habe eine wundervolle Frau, drei Kinder und einen Job, der noch lange nicht erledigt ist.
Kapitel 4
Der Aufstieg
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Als ich bei Porsche anfing, hatte ich mich auf eine befristete Arbeit eingestellt. Ich dachte damals in kurzen Zeitabschnitten und zwei Jahre erschienen mir schon wie eine viel zu lange Zeit. Ich brauchte viel Geld, um nach Thailand zu fliegen. Dort würde ich Weltmeister werden und als gemachter Mann zurück kommen. Der Plan war klar. Es dauerte jedoch nicht lange und ich sah die ersten Probleme meines neuen Berufslebens auf mich zukommen. Es gab einen Meister in der Lackiererei, der sich vor allem durch einen respektlosen Umgang mit den Kollegen hervortat. Ein selbstherrlicher Patriarch, der seine bescheidene Vormachtstellung ausnutzte, um uns zu drangsalieren. Ich war als selbstbewusster und zuversichtlicher junger Mann zu Porsche gekommen und ich hatte das Gefühl, dass ich etwas werden konnte in dieser Firma, auch wenn ich nicht ewig bleiben wollte. Ich, der stolze Sportler, und Porsche, dieser berühmte Sportwagenhersteller. Es schien zu passen, wäre nur dieser Meister nicht gewesen. »Halt’ dei’ Gosch, sonst gehst’ zu Bosch!« lautete einer seiner schroffen Befehle, wenn er seine Macht wieder einmal beweisen wollte. Ein paar Mal hatte ich das schon gehört und immer für einen Witz gehalten, denn mich hatte er ja nicht gemeint. Doch es kam unweigerlich der Tag, an dem mir klar wurde: Das ist eine Drohung, dieser Typ versucht, alle hier in der Lackiererei einzuschüchtern. »Halt’ dei’ Gosch, sonst gehst zu Bosch!« Aus dem schwäbischen Umgangsdeutsch übersetzt und interpretiert hieß das: Entweder du akzeptierst die Bedingungen hier, so wie sie sind und hältst deinen Mund, oder du kannst woanders arbeiten.
Als dieser Meister eines Abends wieder ausfällig wurde, sah ich meine Chance gekommen. Ich ging schnurstracks auf ihn zu, blieb dicht vor ihm stehen und packte ihn am Kragen.Ich zog ihn ganz nah an mich heran. Sein Atem wurde schneller, ich konnte riechen, was er zu Abend gegessen hatte. Es roch nicht gut. Kein Blatt Papier passte mehr zwischen uns. »Pass auf«, brüllte ich ihn an. »Das sagst du nie wieder, ist das klar? Sonst bekommst du ein großes Problem mit mir!« Ich sah fest in seine überraschten Augen, die Aktion war so schnell vorbei, wie sie begonnen hatte. Ich lockerte meinen Griff und drückte diesen Feigling von mir weg. Er wehrte sich nicht. Ich glaube, dieser menschenverachtende Vorarbeiter hatte begriffen, dass er einer körperlichen Auseinandersetzung mit mir besser aus dem Weg ging. Dass er so feige war, nicht mal ein kleines Widerwort zu riskieren, hatte ich nicht erwartet. Es war ruhig geworden in der Halle, meine Kollegen standen da und schauten verwundert zu uns herüber. Als wir am Morgen nach der Schicht das Werk verließen, sagte mir ein älterer Kollege aus der
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