Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
Restaurant, einen kleinen Laden in der Nähe von Pforzheim. Die Familie hatte 5 000 DM gespart und mit der Unterstützung von Bürgen bekam sie einen zusätzlichen Kredit. Das erste eigene Restaurant in Pacht, damals mit einer kleinen Dreizimmerwohnung, in die die achtköpfige Familie einzog. Ich war oft zu Gast dort, nicht nur, weil es so gut schmeckte. Später, als sich die Familie in der Gastronomie einen Namen gemacht hatte, übernahm sie ein dreimal so großes Restaurant in Mühlacker. Noch heute pflege ich mich dort mit Gästen zutreffen. Nicht wenige Journalisten, die über mich schreiben wollen, müssen zuvor die Vorzüge der großartigen Speisekarte im »Ming Fat« probieren. Eine kulinarische Kombination mit Einflüssen aus China, Vietnam und Thailand. Es ist der ideale Ort, mich richtig kennenzulernen, denn ich liebe dieses Haus und diese wunderbare Familie.
Mein Verhältnis zur Familie von Onkel Ho entwickelte sich in eine Richtung, die ich so nicht erwartet hatte. Im Lauf der Zeit lernte ich Phuong, Onkel Hos Tochter, die bei der Flucht aus Vietnam gerade mal 11 Jahre alt war, besser kennen. Gemeinsam organisierten wir traditionelle buddhistische Feste und bald sah ich mehr in ihr. Ich fand, die junge Frau wurde immer interessanter. Es war so eine Beiläufigkeit, mit der sich die Geschichte entwickelte. Ich weiß, keiner meiner Freunde hätte mir damals so viel Zurückhaltung zugetraut, aber ich blieb wirklich defensiv und ich glaube, das hat sie beeindruckt. Gerade, weil es gar nicht meiner Art entsprach. Ich hatte sie nicht wie ein Luchs als meine Beute fixiert, spielte mich nicht wie ein liebestoller Hahn auf, ich verhielt mich wirklich dezent. Wir haben oft gemeinsamDinge unternommen, ohne dass es zu Liebesbekundungen gekommen war. Das änderte sich und ich bekam die wunderbarste Frau, die ich mir vorstellen kann.
Wir wollten heiraten, doch wussten wir zu der Zeit noch nicht, dass da ein paar Hürden zu nehmen waren. Onkel Ho, ein gläubiger Buddhist, wollte von höchster Stelle das Plazet für die Eheschließung seiner Tochter einholen. Also fuhren wir aus Anlass des Festes zu Buddhas Geburt nach Hannover. Die Familie, dicht gedrängt in Onkel Hos japanischen Kleinbus, machte sich auf den Weg in einen buddhistischen Tempel. Sie wollten dort herausfinden, ob ich der geeignete Schwiegersohn sei.
Der Test war nicht einfach, schon gar nicht für einen Mann, dem filigranes Handwerk fremd war. Ich musste ein Bambusrohr nehmen, in dem 99 Räucherstäbchen steckten, jedes mit einer Nummer versehen. Diese Behälter stehen in fast allen Tempeln Asiens, unabhängig von Glauben oder Religion. Hier in Hannover wartete eine schwere Prüfung auf mich: Ich musste das Bambusrohr vorsichtig in der linken Hand halten und – ohne die anderen zu berühren – mit der anderen Hand ein nummeriertes Stäbchen herausnehmen. Dann ging mein zukünftiger Schwiegervater zu einem Buch und schaute unter der entsprechenden Nummer nach, ob das mit mir und seiner Tochter passen würde. Onkel Ho hat mir niemals verraten, was er gemacht hätte, wenn ich die Situation vermasselt hätte. Auf jeden Fall bewegte ich dieses Bambusgefäß mit einem Höchstmaß an Anspannung und Konzentration, wie ein zittriger Mikado-Spieler mit Schweiß auf der Stirn. Ich war an diesem Tag sehr aufgeregt, aber ich kann mich noch erinnern, dass ich es tatsächlich schaffte und die Prüfung bestand. Onkel Ho fällte ein eindeutiges Urteil: Punktsieger Hück, die Sache ging klar!
Für die andere Hürde auf dem Weg in meine Ehe war ich selbst verantwortlich. Ich hatte Phuong verschwiegen, dass ich ihrer Landsmännin versprochen hatte, mich um die beiden Jungs auf dem Sperlingshof zu kümmern. Meine zukünftige Ehefrau wusste noch nicht, dass sie als Hochzeitsgeschenk zwei prachtvolle Söhne bekäme. Ich hatte eine Familie gegründet, ohne dass alle Beteiligten davon wussten. Die Mutter von Lam Anh und Tuan Anh lebte zu dieser Zeit noch, hatte aber einer Annahme an Kindes statt längst zugestimmt. Ich hatte also die beiden Jungs, und Phuong zeigte sich zunächst nicht begeistert. Es entspricht ihrer Lebenseinstellung, nicht alles von sich preiszugeben und es ist mir deshalb auch heute noch eine Selbstverständlichkeit, die Details unserer kleinen Debatte von damals für mich zu behalten.
Ich musste erst noch lernen, mich in dieser neuen Phase meines Lebens einzurichten. Bis jetzt hatte ich alleine gelebt in meiner Wohnung. Ich war ein Einzelgänger und
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