Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
unfassbar, ein Tabubruch! Außerdem konnte man beobachten, dass sich die Angriffe in den Gazetten mehr und mehr auf eine Person konzentrierten. Wendelin Wiedeking, kürzlich noch Unternehmer des Jahres und überall hofierter deutscher Wirtschaftsführer, wurde jetzt in allen Farben als unsozialer Kapitalist skizziert – das war er nicht und das ist er auch nie gewesen!
Aber nicht nur in den Medien kam Gegenwind auf. Parallel dazu wurde ein zweites Feld aufgemacht. Als wäre dieser Wirtschaftskrimi Teil einer Inszenierung, wurde die Politik auf die Bühne geholt. Zunächst im politischen Geflecht Niedersachsens, dann auch im Bund, ja sogar bis nach Brüssel liefen die Interventionen. Immerhin standen damals im Januar 2008 Landtagswahlen in Niedersachsen an und Christian Wulff wollte als Ministerpräsident wiedergewählt werden. Ebenso unzufällig wie plötzlich wurde unsere Beteiligung bei VW zum Gegenstand von Parlamentsdebatten. Es gab eine Art politische Untergrundarbeit, so habe ich es gefühlt. In Niedersachsen war man sich ganz schnell parteiübergreifend einig in der Ablehnung von Porsche. Kein Wunder, wenn man sich die Bedeutung von VW für Niedersachsen verdeutlicht. Zu Zeiten der großen Koalition ließen sich die niedersächsischen Befindlichkeiten leicht und schnell ins Berliner Regierungsviertel transportieren. Von Wulff direkt ins Ohr der Kanzlerin. Da war es natürlich ein geschickter Schachzug unserer Kritiker, Porsche zu dieser Zeit als »Hegdefond mit angeschlossener Automobilproduktion« zu brandmarken. Das Bild der aggressiven Zuffenhausener, die den VW-Werken ans Leder wollten, passte in diese unsachliche Diskussion.
Vielleicht waren wir gegenüber diesen Aktivitäten manchmal zu defensiv, vielleicht auch zu blauäugig. Wir haben Rücksicht genommen auf Personen, die uns das später nicht danken sollten. Hinzu kam, dass wir uns auf dem glatten politischen Parkett bestimmt auch nicht immer geschickt bewegt haben. Ich glaube, ab und zu hätte uns ein guter Schuss mehr Demut und Respekt gut getan. Jedenfalls zeigte die Medien- und Lobbyarbeit gegen Porsche jetzt Wirkung. Es war ein gefährliches Gemisch, das über Monate hinweg hochkochen konnte und in das wir auch noch Öl schütteten. Im September 2008 kam es in Wolfsburg sogar zu einer Demonstration auf dem Werksgelände. Der Aufsichtsrat tagte im VW-Hochhaus, davor versammelten sich 40 000 Beschäftigte, um gegen Wiedeking und Porsche zu demonstrieren. Etwa zur gleichen Zeit wurde die Kanzlerin zu einer Betriebsversammlung der VW-Stammbelegschaft nach Wolfsburg eingeladen. Vielleicht war Frau Merkel ja berauscht von so vielen vor ihr stehenden VW-Werkern und möglicherweise ist ihr der folgende Satz im Überschwang der Gefühle rausgerutscht. Sie benutzte ihr Grußwort zu einer unmissverständlichen Botschaft gen Süden: »Die in Baden-Württemberg können ja alles außer Hochdeutsch, ihr aber könnt alles und Hochdeutsch noch dazu«.
Dieser eine Satz, diese auf Polarisierung abzielende Bemerkung, hätte einer Bundeskanzlerin nicht passieren dürfen. Vielleicht zählten für Frau Merkel in diesem Moment die 324 000 VW-Werker mehr als unsere bei Porsche. Aber wie kann das einen solchen verbalen Tiefschlag gegen die 12 000 Menschen im Süden rechtfertigen? Was können der Metzger in Esslingen und der Handwerker in Mühlacker für ihren Dialekt? Ich wurde zornig! Hätte sie gesagt, der Hück kann kein Hochdeutsch, hätte ich sie ja verstanden. Aber sichnun auf diese Art und Weise in unserer Sache zu positionieren? Monatelang hatte sie dem Streit zwischen den verschiedenen politischen Lagern um ein neues VW-Gesetz zugesehen und es in ihrer typischen Manier vermieden, sich festzulegen. Jetzt aber griff sie die Menschen in Baden-Württemberg und besonders uns Porscheaner an. Wo war da unser Landesvater Oettinger?
Kein Wunder, dass der Ton zwischen uns Betriebsräten bei all dem rauer wurde, Osterloh in Wolfsburg, Hück in Zuffenhausen. Unsere Belegschaften verlangten einen bedingungslosen Einsatz von uns und wir blieben nichts schuldig. Die Sache verlangte es und nur um die ging es, nicht um die handelnden Personen. Viele Zeitungen schrieben damals von einem Machtkampf der Betriebsräte. Ja, wir hatten unsere Stellungen eingenommen. Was ich immer vermeiden wollte, ließ sich jetzt nicht mehr auf halten. Wir befanden uns nun doch mitten in einer harten Auseinandersetzung. Es waren schwere Monate damals im Jahr 2008 und schon in dieser Zeit habe ich
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