Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
nicht wieder VW? Unser »großer Bruder« in Niedersachen, mit dem wir ja bereits den Cayenne erfolgreich bauten und mit dem uns nicht nur historische Wurzeln verbanden. Schon seit Jahrzehnten gab es viele gemeinsame Projekte mit den Wolfsburgern. VW war auch dafür unser natürlicher Partner und mit der Ausweitung dieser Kooperation lag es für Porsche jetzt umso näher, diese Zusammenarbeit durch eine aktienrechtliche Beteiligung zu unterlegen. Diese Idee des Einstiegs von Porsche bei VW kam selbst bei dem Menschen gut an, der später genau deswegen einer meiner Gegner in der Sache werden sollte – bis wir irgendwann zu Freunden wurden: Bernd Osterloh,Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG. Glatzkopf wie ich, gleiche Gewichtsklasse, genauso kämpferisch! Auch Bernd begrüßte damals unseren Einstieg als Aktionär bei VW zum Ausbau unserer starken und gesunden Partnerschaft.
Es war schon ein starkes Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte: Der kleine David Porsche wollte ein Großaktionär bei Goliath VW werden. Von allen Seiten, einschließlich Wolfsburg, vernahmen wir durchweg positive Resonanz, auch die Öffentlichkeit reagierte mit breiter Zustimmung auf unseren Einstieg. Die Vision einer strategischen Partnerschaft entsprach dem Zeitgeist viel mehr. Wiedeking, für seine jahrelange Erfolgsserie bei Porsche ohnehin gefeiert, erntete nun auch für seine neuen Ideen überall Lob. Ob Gewerkschaften, Politiker, Belegschaften, Fachmedien oder die deutsche Öffentlichkeit: So lange es um die Kooperation dieser beiden Unternehmen und außerdem um die Stabilisierung von VW ging, hatte niemand etwas gegen die Idee, dass der kleine Sportwagenhersteller aus Baden-Württemberg und der fünfzehnmal größere Automobilkonzern aus Niedersachsen zusammenrücken würden.
Die Dinge liefen gut. Wir hatten auch keine Eile, unser Vorstand konnte die Entwicklung unserer Beteiligung über die Zeit hin in aller Ruhe überprüfen und je nach den Umständen festlegen. Ermutigt von der allgemeinen Zustimmung und der Richtigkeit des Einstiegs, die sich in der Folgezeit immer weiter bestätigte, erhöhte Porsche nach und nach seine Anteile an VW. Im März 2007 überschritt unsere Beteiligung die 30-Prozent-Schwelle und wir waren jetzt nach dem Gesetz verpflichtet, den VW-Aktienbesitzern ein sogenanntes »Pflichtangebot zur Übernahme« all ihrer Aktien zu unterbreiten. Vielleicht lag es an diesem Gesetzesbegriff, dassdie Stimmung kippte. Plötzlich waberte nämlich der Begriff »Übernahme« durch die Öffentlichkeit. In die Auf bruchstimmung, die uns die vergangenen Monate beflügelt hatte, mischten sich erste Misstöne, die aus Wolfsburg kamen. Die Situation wurde von unglücklichen Äußerungen Wiedekings befeuert, der damals von »heiligen Kühen« sprach, die es auch in Wolfsburg nicht geben könne. Das gefiel mir überhaupt nicht. Sicherlich wurde die Stimmung auch belastet durch unsere Forderung, der Porsche-Belegschaft eine paritätische Beteiligung im Aufsichtsrat der Porsche SE, also unserer neu gegründeten Holding, zu sichern. »Porsche muss Porsche bleiben« – das war eben unsere erste Prämisse. Die Wahrung von Porsches Eigenständigkeit galt immer schon als unsere Bedingung und beide Familienstämme bestätigten uns das auch immer wieder ohne jede Einschränkung. Gegen diese Regelungen, die wir zur Absicherung der Beteiligung unserer Belegschaft in den Gremien der neuen Holding getroffen hatten, regte sich plötzlich Widerstand in der Belegschaft von VW. Im September und nochmals im Dezember 2007 zog Bernd Osterloh sogar vor die Gerichte, begleitet von ersten harschen Tönen in den Medien. Er scheiterte allerdings mit seinen Anträgen. Aus heutiger Sicht halte ich Bernds Vorgehen für nachvollziehbar. Doch unsere Vereinbarung zur Mitbestimmung in der Porsche SE war rechtens, deshalb konnte er sie nicht kippen. Aber trotz dieser rechtlichen Klärung: Von da an war und blieb der »Mitbestimmungsstreit«, wie er in den Medien bezeichnet wurde, ein Dauerthema im Blätterwald – bis die Dosis irgendwann erhöht und die Sache sogar zur »Übernahmeschlacht« hochstilisiert wurde.
Manchmal war es mein Eindruck, dass es Menschen gab, die eine »feindliche Übernahme« geradezu herbeireden wollten. Dabei hatte es nie einen Übernahmeplan gegeben. Ichwerde den Tag nie vergessen, an dem dieser Begriff zum ersten Mal in den Zeitungen auftauchte. »Feindliche Übernahme von VW durch Porsche« –
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