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Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)

Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)

Titel: Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hück
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haben das gerne gegessen und es hat auch gut geschmeckt. Ich habe nur nicht verstanden, warum der Erzieher Wurst und Käse hatte. An diesem Abend wollte ich es dann wissen. »Warum bekommen Sie eigentlich Wurst und Käse und wir nicht?«, rief ich zu ihm herüber. Nicht provokant, nicht aufrührerisch, nicht unverschämt, nur einfach fragend. Ich bekam keine Antwort. Stattdessen stand dieser Erzieher auf, nahm seine Käsebrocken in die Hand und begann, damit auf mich zu werfen. Immer weiter. Ich war hungrig und überlegte nicht lange. Ich hob die Brocken auf und begann, sie gierig zu essen, einen nach dem anderen. Käse aus heiterem Himmel! Doch das hätte ich nicht tun dürfen. Der dicke Erzieher muss in diesem Moment wirklich seine pädagogischen Ziele gefährdet gesehen haben – wenn er denn überhaupt welche hatte –, und sagte: »Du bist und bleibst ein unanständiger Typ. Was sollen wir mit dir denn noch machen?« Den Käsebrocken folgte die Erniedrigung im persönlichen Gespräch: »Wie kannst du den Käse essen, mit dem du gerade bestraft wirst?« Wieder mal hieß das Arrest, wieder mal steckten sie mich alleine in ein Zimmer. Je öfter mich die Erzieher in Einzelhaft schickten,desto weniger wollte ich den Sinn dieser Bestrafung verstehen. Am nächsten Morgen holten sie mich heraus und fragten: »Hast du etwas dazugelernt?« Ich habe auch am Morgen danach immer noch nicht verstehen können, was die Strafaktion vom Vorabend bezwecken sollte. Ich fühlte mich ungerecht behandelt. »Ja«, sagte ich, »ich habe gelernt, dass ich es noch mal so machen würde. Denn es hat gut geschmeckt und ich bin satt geworden.«
    Die Pädagogik mancher Erzieherinnen und Erzieher war auf Erniedrigung und Bestrafung der ihnen zum Schutz befohlenen jungen Menschen abgerichtet. Sie wollten sich nicht einen Moment mit meiner Persönlichkeit oder meinen Beweggründen auseinandersetzen. Ich glaube, es ging diesen Erziehern, die allesamt eine Ausbildung hatten, nur um Ruhe und Ordnung im Heim. Und wenn sie unseren Willen brechen mussten! Für mich bedeutete meine Uneinsichtigkeit wieder Arrest, doch so allmählich gewöhnte ich mich an die Einzelbelegung des Strafzimmers. Das Wegsperren hat mich nicht ändern können, im Gegenteil. Ich spürte, wie ich stärker wurde, wie ich in der Achtung anderer Heimkinder stieg. Ich konnte einen Sinn darin sehen, Ungerechtigkeiten nicht einfach hinzunehmen. Und ich konnte ungestört träumen. Wenn ich alleine in dem dunklen Zimmer lag, konnte ich meinen Helden näher sein: Winnetou und Robin Hood. Vom ersten Tag des Kennenlernens an hatten sie mich interessiert. Je älter ich wurde, desto mehr faszinierten sie mich. Winnetou, dieser edle, für Gerechtigkeit und Frieden kämpfende Indianer. Robin Hood, dieser Ritter aus dem Sherwood Forest, der den Armen gab, was er den Reichen genommen hat. Ich wollte so werden wie sie, wenn ich eines Tages aus dem Heim rauskommen sollte. Ich hatte viel Zeit, an meine Helden zu denken, denn ich lag nächtelang im Arrestzimmer.Für die Heimleitung war ich wahrscheinlich nur noch ein schwer erziehbarer Sonderschüler. Ein renitenter Rüpel, unberechenbar und gewalttätig. Ein Heimjunge, der es mit etwas Glück vielleicht noch zum Hilfsarbeiter bringen würde. Ich muss zugeben, dass ich alles tat, um meine Erzieher in ihren Meinungen zu bestärken. Doch auch, wenn ich wirklich keine Chance in diesem Leben haben sollte, die täglichen Ungerechtigkeiten wollte ich nicht so einfach hinnehmen. Ich erinnere mich an diese unsäglichen Erzieherinnen. Als wäre es nicht schon schwer genug gewesen, als pubertierender Junge von Frauen erzogen zu werden, unterbanden sie auch noch die ersten Anzeichen erwachender Sexualität. Sie kamen und hauten dir mit dem Lineal oder der Hand auf deinen kleinen Stolz da unten. Einmal, zweimal, immer so feste, dass es fürchterlich weh tat. Sie bläuten dir ein, wie unanständig es sei, eine Erektion zu haben. An den Rest kannich mich nicht mehr erinnern. Er ist verdrängt, irgendwo abgelegt in diesem nicht mehr auffindbaren Ordner, auf dem »Vergessen« steht. Ich weiß nur noch, dass mich jede Strafe, jede Erniedrigung und jede Ungerechtigkeit nur noch wütender machte.
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    Uwe Hück als Jugendlicher
    Ich war elf Jahre alt, als das Jugendamt meinen nächsten Umzug verfügte. Ich kam auf den Sperlingshof, eine Einrichtung nahe dem Örtchen Wilferdingen, nicht weit von Pforzheim entfernt. Wenn ich heute dort hinkomme, kann

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