Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
Beweggründe. Aus der Unternehmenshistorie heraus hat Porsche immer schon die Familien als Mittelpunkt der Gesellschaft gefördert. Das besondere Augenmerk lag dabei auf verbesserten Bildungschancen für Kinder und junge Erwachsene und dieser Linie wollten wir treu bleiben. Im April stattete Stefan Mappus Porsche seinen Antrittsbesuch als Ministerpräsident ab und ich kann sagen, dass wir uns oft getroffen haben in dieser Zeit. In Zuffenhausen standen Gespräche mit Vorstandschef Michael Macht auf dem Programm, ebenso eine ausführliche Werksführung, an deren Ende er sich begeistert von der Leistungsfähigkeit unserer Belegschaft und der Produktionsanlagen zeigte. Besonders wichtig schien ihm mein Versprechen zu sein, dass Porsche eine eigenständige Marke bleiben werde, denn noch immer gab es Spekulationen, dass eine der berühmtesten Marken aus Baden-Württemberg vonVW geschluckt werde. Schon waren wir wieder bei unserem Lieblingsthema: Die Standortsicherungsvereinbarung garantierte 100 Auszubildenden jährlich die unbefristete Übernahme in ein Arbeitsverhältnis. Drei Tage danach war der Ministerpräsident an der Reihe, eine Rede zu halten. Dabei zeigte er sich sicher, dass die Faszination Porsche auch im VW-Konzern eine zentrale Rolle spielen werde und dass alle Arbeitsplätze bei uns erhalten bleiben. Mappus war gerade erst zwei Monate im Amt und hatte die Bedeutung von Porsche doch schon richtig erkannt. An diesem Tag verlieh er mir die Staufermedaille für meine Verdienste um das Land Baden-Württemberg. Mich machte dabei besonders stolz, dass ich nicht nur für meine Arbeit als Betriebsrat geehrt wurde. Meine Sozialarbeit auf dem Haidach und die vielen anderen karitativen Projekte wurden genauso gewürdigt. In seiner Festrede bezeichnete er mich als Mischung aus Chef und Kumpel und dankte mir dafür, dass ich mithalf, unsere Gesellschaft menschlicher zu machen. Ich fühlte mich geschmeichelt und geehrt. Nicht, weil ich für mein Schaffen und mein Engagement Anerkennung erhielt, sondern weil ich merkte, dass dieser Politiker diesen Tag nicht als irgendeinen Pflichttermin mit vorgeschriebener Rede betrachtete. Die Laudatio war echt!
Obwohl Mappus und ich in unseren politischen Auffassungen weit voneinander entfernt waren, ist es in unserer Demokratie immer wichtig, den gewählten Volksvertretern in ihrer Funktion Respekt entgegen zu bringen. Das politische Schicksal von Mappus und die dramatische Entwicklung, die er nehmen sollte, waren damals noch nicht zu erahnen. Im Frühjahr 2011 kam der Altkanzler zurück nach Zuffenhausen, es war das Jahr der Landtagswahlen. Mappus’ politischer Stern war zu dieser Zeit bereits am Sinken, er warausgerutscht auf seinem Atomkurs und machte politische Fehler, die nicht mehr zu korrigieren waren. Zuerst Atom-Hardliner, dann unter dem Eindruck der durch das Unglück in Japan ausgelösten Besorgnis in der Bevölkerung sehr schnell umgekippt und zum Abschalter der Kernreaktoren mutiert, dazwischen der Ankauf von EnBW durch das Land Baden-Württemberg, was beide Seiten in größte finanzielle Schwierigkeiten stürzen sollte. Sollte Mappus wirklich die Marionette eines zwielichtigen Bankers gewesen sein, wäre das eine Riesenenttäuschung für mich.
Die SPD witterte plötzlich neue Chancen in Baden-Württemberg und Schröder kam unserer Einladung folgend als prominenter Wahlkämpfer nach Zuffenhausen. Der Altkanzler zeigte sich selbstkritisch, auch wenn er noch immer vom grundsätzlichen Erfolg seiner Politik überzeugt war. Ein Satz ist mir besonders in Erinnerung geblieben: »Man muss nicht Angst haben vor Politikern, die Fehler machen, sondern vor Politikern, die den Eindruck erwecken, sie würden nie welche machen.«
Die Fehler bei der Agenda 2010 beschäftigten uns also immer noch, die Wähler übrigens auch. Doch die politischen Realitäten, der atomare Störfall in Fukushima, die Wutbürger von Stuttgart 21, die Abwahl von Mappus und die immer offensichtlichere Unfähigkeit der schwarz-gelben Koalition in Berlin sorgten für einen historischen Wahlabend in Stuttgart. Ausgerechnet das erzkonservative Ländle bekam als erstes deutsches Bundesland einen grünen Ministerpräsidenten. Winfried Kretschmann, ein für mich bis dahin unauffälliger, biederer, konservativer Stuttgart-21-Gegner, der von der außergewöhnlichen politischen Situation profitierte, dass die CDU nach fast 58 Jahren zum ersten Mal in die Opposition musste. Ein grüner Landesvater in dem
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