Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
Mündel des Staates. Ich war EA. Ich war querschnittsgelähmt. Doch nun ist alles anders. Mein Name ist Risa Ward, und die Umwandlung hat mein Leben verändert.«
Mit Unterstützung der »Nationalen Gesellschaft für vollständige Gesundheit«
Risa hat sich immer als eine gesehen, die überlebt hat. Sie hat sich im tückischen Alltag des staatlichen Waisenhauses 23 in Ohio durchgeschlagen, bis zu dem Tag, an dem sie »Haushaltskürzungen« zum Opfer fiel und zum Wandler wurde. Sie entkam der Umwandlung als Flüchtling, überlebte das Ernte-Camp und eine verheerende Explosion, die sie hätte umbringen können. Ihre Stärken waren immer ihr scharfer Verstand und ihre Anpassungsfähigkeit.
Nun muss sie sich wieder neu anpassen: an ein Leben als Berühmtheit, mit allen Annehmlichkeiten, die man sich nur wünschen kann, und einem klugen und charmanten Jungen an der Seite, der in sie verknallt ist. Sie muss sich aber auch daran gewöhnen, dass sie auf sämtliche Überzeugungen, ja auf ihr Gewissen verzichten muss.
Risa sitzt auf einem weich gepolsterten Sessel im Garten des Anwesens über den Klippen und betrachtet den tropischen Sonnenuntergang. Sie versucht innerlich, alles ins rechte Verhältnis zu setzen und Frieden zu schließen. Etwas brandet mächtig gegen ihre Seele, unerbittlich wie die Wellen, die sich unter ihr brechen, und erinnert sie daran, dass mit der Zeit auch die stärksten Berge abgetragen und ins Meer geschwemmt werden. Sie weiß nicht, wie lange sie noch standhalten kann – oder ob sie das überhaupt soll.
Am Morgen hat sie ein Fernsehinterview gegeben. Sie bemühte sich, die Fragen so zu beantworten, dass sie nicht lügen musste. Es ist wahr, dass ihre Unterstützung für die Umwandlung eine »Frage der Notwendigkeit« ist, auch wenn niemand außer ihr und Roberta die wahre Natur dieser Notwendigkeit kennt. Egal, wie sehr sie sich bemüht, sie muss trotzdem Sätze sagen, die ihr kaum über die Lippen kommen. Die Umwandlung ist das kleinere Übel. Glaubt sie tief in ihrem Innern etwa wirklich daran? Da sie ständiger Manipulation ausgesetzt ist, schlägt ihr innerer Kompass wild aus, und sie fürchtet, dass er sich nie wieder gen Norden einpendeln wird.
Erschöpft döst sie ein. Sie hat das Gefühl, es sind nur Sekunden vergangen, als jemand ihr sanft auf die Schulter tippt. Es ist dunkel, nur ein schwacher Blauton am Horizont erinnert noch an die Dämmerung.
»Holzsäge«, sagt Cam. »Ich wusste gar nicht, dass du schnarchst.«
»Tu ich auch nicht«, erwidert sie groggy. »Und ich werde das auch immer abstreiten.«
Cam hat eine Decke mitgebracht. Erst als er sie darin einhüllt, merkt Risa, wie kalt ihr beim Schlafen geworden ist. Sogar in diesen tropischen Gefilden kann es nachts sehr kühl werden.
»Ich wünschte, du wärst nicht so viel allein«, murmelt er. »Das musst du nicht, weißt du.«
»Wenn du den größten Teil deines Lebens in einem Waisenhaus gelebt hast, ist Alleinsein Luxus.«
Er kniet sich neben sie. »Wir haben nächste Woche unser erstes gemeinsames Interview. Sie fliegen uns aufs Festland. Hat Roberta es dir schon gesagt?«
Risa seufzt. »Ja, hat sie.«
»Wir sollen da als Paar auftreten …«
»Also werde ich für die Kamera lächeln und meinen Job erledigen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Ich habe gehofft, es wäre nicht nur ein Job für dich.«
Statt ihn anzusehen, blickt sie hinauf in den Himmel. Hier sind noch mehr Sterne zu sehen als über dem Friedhof, wo sie aber nur selten Zeit oder Lust hatte, in den Himmel zu sehen.
»Ich kenne alle ihre Namen«, sagt Cam. »Ich meine, von den Sternen.«
»Mach dich nicht lächerlich. Es gibt Milliarden von Sternen, du kannst sie nicht alle kennen.«
»Hyperbel«, erwidert er. »Stimmt, ich übertreibe – aber ich kenne alle, die wichtig sind.« Dann deutet er auf den ersten Stern, und seine Stimme nimmt einen leichten Bostoner Akzent an, als er die lebende Sternenkarte in seinem Kopf abruft. »Das ist Alpha Centauri, der ›Fuß des Zentauren‹. Er ist einer der Sterne, die uns am nächsten sind. Siehst du den rechts daneben? Das ist Sirius, der hellste Stern am Himmel …«
Seine Stimme wirkt auf Risa hypnotisch und bringt ihr einen Hauch von dem Frieden, nach dem sie sich so sehnt. Mache ich alles nur unnötig kompliziert? , fragt sie sich. Müsste ich mich besser anpassen?
»Der schwache Stern da drüben ist Spica, der in Wahrheit hundertmal heller ist als Sirius, aber viel weiter weg
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