Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
… ›zustande gekommen bist‹. Was hältst du davon?«, fragt Holly.
»Das ist nicht mein Problem«, sagt Cam. »Früher hat es mir etwas ausgemacht, wenn schreckliche Sachen über mich gesagt wurden, aber für mich zählt jetzt nur noch die Meinung einer einzigen Person.«
»Deine«, ergänzt Holly.
»Nein, ihre.« Dabei sieht er Risa an. Das Publikum lacht. Risa lächelt bescheiden. Dann liefern sich Holly und Jarvis einen witzigen Schlagabtausch darüber, wer in dieser oder jener Beziehung die Hosen anhat. Jarvis stellt die nächste Frage.
»Risa, du hast schon ziemlich viel erlebt. Staatliches Mündel, rehabilitierte EA – ich bin mir sicher, das Publikum wüsste gern, wie du und Cam euch über den Weg gelaufen seid.«
»Ich habe Cam nach meiner Wirbelsäulenoperation kennengelernt«, erklärt Risa der Welt. »Das war in derselben Klinik, in der er zusammengesetzt worden war. Er hat mich jeden Tag besucht und sich mit mir unterhalten. Irgendwann wurde mir klar …« Sie zögert einen Moment, offenbar überwältigt von ihren Gefühlen. »Mir wurde klar, dass er als vollständige Person großartiger ist als die Summe seiner Teile.«
Das war genau, was die Leute hören wollten. Aus dem Publikum kommt ein kollektives »Ohh …«. Cam lächelt Risa an und drückt ihre Hand.
»Wir haben deine Werbspots gesehen«, sagt Holly. »Mir läuft es immer noch kalt den Rücken hinunter, wenn ich daran denke, wie du dich aus deinem Rollstuhl erhoben hast.« Dann wendet sie sich ans Publikum. »Habe ich recht?« Das Publikum applaudiert zustimmend. Holly dreht sich wieder zu Risa um. »Trotzdem nehme ich doch an, dass du als flüchtige Jugendliche die Umwandlung abgelehnt hast.«
»Tja, wer wäre wohl nicht dagegen, wenn er derjenige wäre, der umgewandelt werden soll?«
»Wann genau hast du deine Meinung geändert?«
Risa atmet hörbar ein, und Cam drückt wieder ihre Hand. »Es ist gar nicht mal so, dass ich meine Meinung wirklich geändert habe … ich habe nur gemerkt, dass ich die Sache aus einem anderen Blickwinkel betrachten muss. Wenn es die Umwandlung nicht gäbe, würde Cam nicht existieren und wir wären heute nicht zusammen hier. Es wird immer Leid in der Welt geben, aber die Umwandlung lindert das Leid«, sie zögert wieder, »lindert das Leid derer, deren Leben einen Sinn hat.«
»Was würdest du dann den Kids da draußen sagen, die vor der Umwandlung geflohen sind?«, fragt Jarvis.
Risa blickt bei ihrer Antwort nicht den Moderator an, sondern auf den Boden. »Ich würde sagen, wenn du auf der Flucht bist, dann lauf – denn du hast ein Recht darauf zu überleben. Aber egal, was mit dir geschieht, du musst wissen, dass auch dein Leben einen Sinn hat.«
»Vielleicht sogar mehr Sinn als im umgewandelten Zustand?«, ergänzt Jarvis.
»Vielleicht.«
Es folgt eine Überleitung zu einem berühmten Modedesigner. Er stellt in der Sendung eine neue Modelinie mit trendiger Patchwork-Kleidung vor, inspiriert von Camus Comprix – Entwürfe für Männer und Frauen, Jungen und Mädchen.
»Wir bezeichnen das als Recycling-Chic«, erklärt der Designer, während Models unter begeistertem Applaus durch das Studio stolzieren.
48.
Risa
Nach ihrem Auftritt bei Jarvis und Holly hält Risa mit Cam Händchen, bis das Publikum sie nicht mehr sieht. Hinter der Bühne schüttelt sie seine Hand angewidert ab. Angewidert nicht von ihm, sondern von sich selbst.
»Was ist?«, fragt Cam. »Es tut mir leid, wenn ich etwas falsch gemacht habe.«
»Halt den Mund! Halt einfach den Mund!«
Sie sucht nach einer Toilette, kann aber keine finden – dieses verdammte Studio ist ein Labyrinth. Jeder, von den Praktikanten bis zu den Studioleuten, starrt die beiden an wie Außerirdische. Haben die hier nicht jeden Tag Stars in der Sendung? Was ist an ihnen so besonders? Dabei kennt Risa die Antwort schon: Nach einer Weile ist ein Star nur noch ein Star, aber es gibt nur einen Camus Comprix. Er ist das neue goldene Kind der Menschheit, und was Risa angeht, so färbt das Gold auf sie ab.
Endlich findet sie eine Toilette und schließt sich ein. Sie setzt sich auf den Klodeckel und vergräbt den Kopf in den Händen. Dass sie die Umwandlung verteidigen muss, sogar behaupten muss, die Welt sei besser geworden, weil unschuldige Kinder umgewandelt werden, reißt sie innerlich entzwei. Ihre Selbstachtung, ihre Integrität sind dahin. Jetzt wünscht sie sich nur noch, sie hätte die Explosion im Happy Jack nicht überlebt. Sie wünscht
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