Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
immer noch lachen können.
Ungeachtet ihres IQs und ihres Körpergewichts verlassen die JuPos ihre Posten nicht. »Also gut«, verkünden sie. »Wir können warten!«
Und das tun sie.
Als der Morgen dämmert, sind sie immer noch da: drei Streifenwagen und ein kleiner grauer Transporter. Nur fünfzig Meter entfernt kampieren Journalisten mit hoch aufragenden Antennen und Satellitenschüsseln. Während der Razzia hatten die Bullen sie erfolgreich draußen gehalten.
Hayden und seine mit ihm ausharrenden Yolos sind in der Nacht immer wieder eingedöst. Als sie die Reporter sehen, machen sich einige von ihnen surreale Hoffnungen.
»Wenn wir rausgehen«, meint Tad, »kommen wir in den Nachrichten. Unsere Eltern sehen uns. Vielleicht tun sie was.«
»Und was?«, fragt Lizbeth. »Eine zweite Umwandlungsverfügung unterschreiben? Eine reicht vollkommen.«
Um Viertel nach sieben steigt die Sonne über die Berge und kündigt einen weiteren brüllend heißen Tag an. Der ComBom wird richtiggehend geröstet. Sie finden noch ein paar Wasserflaschen, aber das reicht nie für fünfzehn Jugendliche, die jetzt schon mehr ausschwitzen als überhaupt zum Trinken da ist. Um acht sind es schon fast achtunddreißig Grad, und Hayden weiß, dass es nicht dabei bleiben wird. Deshalb kommt er auf seine Lieblingsfrage zurück, nur dass sie diesmal nicht rhetorisch ist.
»Hört mir alle zu und denkt genau über eure Antwort nach.« Er wartet, bis er wirklich ihre gesamte Aufmerksamkeit hat, und sagt dann: »Sterbt ihr lieber … oder werdet ihr lieber umgewandelt?«
Sie schauen einander an. Einige stützen den Kopf in die Hände, andere weinen trockene Tränen, weil ihr Körper so ausgedörrt ist, dass sie nicht mehr weinen können. Hayden zählt stumm bis zwanzig und stellt die Frage noch einmal. Dann wartet er auf die Antworten.
Esme, die Hackerin der Gruppe, die am besten Passwörter knacken kann, bricht als Erste durch die Firewall des Schweigens. »Sterben«, sagt sie. »Keine Frage.«
Nasim sagt ebenfalls: »Sterben.«
Und Lizbeth: »Sterben.«
Jetzt kommen die Antworten schneller.
»Sterben.«
»Sterben.«
»Sterben.«
Alle antworten und niemand wählt Umwandeln.
»Selbst wenn es so etwas geben sollte, wie das ›Leben im geteilten Zustand‹«, meint Esme, »wenn wir umgewandelt werden, gewinnen die JuPos. Wir dürfen sie nicht gewinnen lassen.«
Und während die Temperatur auf über dreiundvierzig Grad steigt, lehnt Hayden sich an die Trennwand und tut etwas, das er nicht mehr getan hat, seit er ein kleiner Junge war: Er spricht das Vaterunser. Seltsam, wie man manche Dinge niemals vergisst.
»Vater unser, der du bist im Himmel …«
Tad und ein paar andere stimmen rasch ein: »Geheiligt werde dein Name …«
Nasim rezitiert ein islamisches Gebet und Lizbeth bedeckt ihre Augen und singt das Schma Jisrael, »Höre Israel«, auf Hebräisch. Im Tod sind nicht nur alle Menschen gleich, wie es heißt, sondern auch alle Religionen.
»Meinst du, sie lassen uns einfach sterben?«, fragt Tad. »Meinst du nicht, sie retten uns?«
Hayden möchte ihm nicht antworten, denn die Antwort ist Nein. Aus Sicht der JuPos sind sie ja nur Jugendliche, die ohnehin niemand will. Wenn sie sterben, sind nur Körperteile verloren.
»Immerhin sind Journalisten da draußen«, meint Lizbeth. »Vielleicht bekommt unser Tod dadurch eine Bedeutung. Die Menschen erinnern sich daran, dass wir lieber sterben wollten, als umgewandelt zu werden.«
»Vielleicht«, sagt Hayden. »Das ist ein guter Gedanke, Lizbeth. Halt dich daran fest.«
Um zwanzig vor neun sind es über fünfundvierzig Grad. Hayden fällt es immer schwerer zu atmen und ihm wird klar, dass vielleicht gar nicht die Hitze sie umbringen wird, sondern der Mangel an Sauerstoff. Was steht wohl weiter unten auf der Liste der üblen Arten zu sterben?
»Mir ist nicht gut«, sagt ein Mädchen schräg gegenüber von ihm. Vor fünf Minuten wusste Hayden noch, wie sie heißt, aber jetzt kann er nicht mehr so klar denken, dass er sich erinnert. Er weiß jetzt, dass ihnen nur noch Minuten bleiben.
Tad neben ihm beginnt mit nur noch halb geöffneten Augen vor sich hin zu babbeln. Irgendwas mit Ferien. Sandstränden. Swimmingpools. »Daddy hat die Pässe verloren, oh, oh, Mommy wird ganz schön sauer sein.« Hayden legt den Arm um ihn und hält ihn wie einen kleinen Bruder. »Keine Pässe …«, sagt Tad, »keine Pässe … dann können wir nicht mehr nach Hause fahren.«
»Versuch es gar nicht
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