Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
und ohne Vergebung.
»Ich weiß, wie Zehntopfer sind«, sagt der Beifahrer-Polizist mitfühlend. »Wenn du es wirklich willst, kannst du es deinen Eltern gegenüber ansprechen, wenn sie dich abholen.«
»Danke«, sagt sie. »Vielen Dank.« Aber sie meint nicht die Polizisten.
Entweder geschehen die Dinge aus einem bestimmten Grund oder sie geschehen einfach so. Entweder ist das Leben eines Menschen ein Faden in einem prächtigen Teppich oder die Menschheit ist einfach nur ein hoffnungslos verheddertes Knäuel. Miracolina hat immer an den Teppich geglaubt, und jetzt schätzt sie sich glücklich, dass sie einen Blick in seine kleinste Ecke erhaschen durfte. Jetzt weiß sie, dass sie den Wunsch, ein Zehntopfer zu sein, nicht hatte, um in den geteilten Zustand zu gelangen. Sie hatte diesen Wunsch vielmehr, damit er sie zur richtigen Zeit an den richtigen Ort trieb, wo sie zur Erlösung des Jungen beitragen konnte, der sich selbst in die Luft sprengen wollte.
Wer hätte gedacht, dass ihre einzigartige und vollständige Vergebung ein wertvolleres Geschenk war als hundert einzelne Teile von ihr?
Sie wird also in die Arme ihrer gerührten Eltern zurückkehren und das Leben leben, das sie sich für sie erträumen, bis sie ihren eigenen Traum findet. Sie hatte keine Zehntopferparty, aber in diesem Augenblick beschließt sie, dass sie eines Tages ein großes Fest haben möchte, vielleicht zum sechzehnten Geburtstag. Und sie wird Lev finden, wo immer auf der Welt er auch sein mag, und ihn einladen und ein Nein nicht akzeptieren. Und dann wird sie mit ihm tanzen.
81.
Hayden
Soweit Hayden weiß, sind sie die Letzten. Noch vierzehn andere sind zusammen mit ihm im ComBom, alle haben in verschiedenen Schichten in der Nachrichtenzentrale gearbeitet und sie vertrauen ihm mehr als jedem anderen, was Hayden erschreckt. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass überhaupt jemand zu ihm aufschaute. Die Abwesenheit eines Jungen ist besonders spürbar. Bevor die Stromzuleitungen zu den Kameras gekappt wurden, hatte Hayden gesehen, wie Jeevan mit einem Armvoll geklauter Waffen zusammen mit den anderen Storchen in den Dreamliner stieg.
Connor hatte mitten im Kampf auf einmal nicht mehr reagiert und dann hatten die JuPos nacheinander die Stromaggregate abgeschaltet und den ComBom und alle anderen Flugzeuge in Dunkelheit getaucht.
Um Mitternacht ist es vorbei. Vor den Fenstern des ComBoms rücken die schweren Transporter, die Rammböcke, die Straßenkampfwagen und fast alle Streifenwagen der JuPos ab: Auftrag ausgeführt.
Vielleicht hat man sie vergessen, denkt Hayden, vielleicht können sie einfach noch ein paar Stunden ausharren und dann in die Freiheit entkommen. Aber dafür ist die Jugendbehörde zu schlau.
»Wir wissen, dass ihr da drin seid«, schallt es durch ein Megafon. »Kommt raus und es wird euch nichts geschehen, versprochen.«
»Was machen wir?«, fragen die Kids um ihn herum.
»Nichts«, sagt Hayden. »Wir machen nichts.« Da der ComBom die Fernmeldestelle und das Gehirn des Friedhofs war, gehört er zu den wenigen Flugzeugen, bei dem alle Außentüren vorhanden sind und funktionieren. Außerdem kann er nur von innen geöffnet werden. Als der Kampf begann, hatte Hayden die luftdichte Luke verschlossen, sodass sie jetzt von der Außenwelt abgeschlossen sind, als säßen sie in einem U-Boot. Ihre einzige Verteidigung ist ihre Isolation und ein Sturmgewehr. Connor hatte darauf bestanden, dabei weiß Hayden nicht mal, wie man damit schießt.
»Ihr seid in einer aussichtslosen Lage!«, rufen die JuPos durch ihr Megafon. »Ihr macht es nur noch schlimmer für euch.«
»Was könnte schlimmer sein, als dass wir alle umgewandelt werden?«, fragt Lizbeth.
Dann sagt Tad, der sich von Anfang an so dicht bei Hayden gehalten hat, als wären sie an der Hüfte zusammengewachsen: »Dich wandeln sie nicht um, Hayden. Du bist siebzehn.«
»Unwichtig«, knurrt Hayden. »Komm mir nicht mit unwichtigem Kleinkram.«
»Bestimmt stürmen sie den Jet!«, mahnt Nasim. »Ich hab das mal im Fernsehen gesehen. Sie sprengen die Tür weg und werfen Tränengasgranaten rein. Dann zerrt ein SEK uns raus!«
Die anderen schauen nervös zu Hayden und warten auf seine Antwort. »Die BePos sind schon abgerückt«, erklärt Hayden. »Wir sind nicht wichtig genug für einen Sturmangriff. Uns muss man nur noch aufräumen. Wetten, dass sie nur die fetten, doofen JuPos zurückgelassen haben, damit sie auf uns warten?« Alle lachen. Hayden ist froh, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher