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Vollendet - Der Aufstand (German Edition)

Vollendet - Der Aufstand (German Edition)

Titel: Vollendet - Der Aufstand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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wird die Tür aufgerissen, und einer der Angreifer drückt auf den Knopf, der die Zentralverriegelung öffnet. Alle Türen des Kleinbusses werden von den maskierten Angreifern auf einmal geöffnet. Offenbar sind sie ein eingespieltes Team. Timothy schreit, als Hände nach ihm greifen und ihn aus dem Kleinbus zerren. Er will sich befreien, doch es nützt nichts. Wenn seine Angst ein Spinnennetz ist, dann haben die Spinnen ihn längst eingewickelt.
    Zwei Angreifer packen Miracolina, die sich auf den Boden wirft und nach ihnen tritt.
    »Fasst mich nicht an! Fasst mich nicht an!«
    In ihr explodiert die Furcht, die sie bis dahin so gut im Griff hatte. Diese krasse Missachtung ihrer Wünsche ist schlimmer als die Unsicherheit über ihr Schicksal im Ernte-Camp. Wütend und verängstigt tritt sie und beißt und kratzt, aber es nützt nichts: Sie hört das verräterische Pffft einer Betäubungswaffe und spürt, wie sich die Munition in ihren Arm bohrt. Die Welt um sie herum wird dunkel, und sie fällt, wirbelt, fällt, bis sie da ankommt, wo die schlafenden Seelen Ruhe finden.
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    »Sie kennen mich nicht, aber Sie kennen bestimmt jemanden wie mich. Bei mir wurde Leberkrebs diagnostiziert, in derselben Woche, in der ich meine Aufnahmebestätigung für die Harvard Universität bekam. Meine Eltern und ich dachten erst, das sei nicht weiter schlimm. Aber als wir mit unserem Arzt sprachen, erfuhren wir, dass ein Organmangel herrscht und nicht genügend Lebern zur Verfügung stehen. Es hieß, man werde mich auf eine Warteliste setzen. Heute, drei Monate später, bin ich immer noch nicht dran. Und die Universität? Tja, mein Studium wird wohl warten müssen.
    Und nun wollen dieselben Menschen, die das Alter für die Umwandlung gesenkt haben, eine sechsmonatige Wartezeit nach der Unterzeichnung der Umwandlungsverfügung durch die Eltern durchsetzen, für den Fall, dass sie es sich anders überlegen. Sechs Monate? Ich werde in sechs Monaten nicht mehr da sein.«
    Zaudern tötet! Nein zur Gesetzesinitiative 53!
    Mit Unterstützung der Initiative »Eltern für eine positive Zukunft«
    Wenn man aufwacht, nachdem man mit einer Betäubungswaffe außer Gefecht gesetzt worden ist, ist das alles andere als angenehm. Kaum kommt man zu Bewusstsein, stellen sich ein rasender Kopfschmerz, ein ekelhafter Geschmack im Mund und das verstörende Gefühl des Ausgeliefertseins ein.
    Als Miracolina aufwacht, hört sie neben sich jemanden weinen und um Gnade flehen. Sie erkennt Timothys Stimme. Nein, er ist wirklich keiner, der mit so einer Situation zurechtkäme. Sie kann ihn allerdings nicht sehen, weil ihr eine dicke Augenbinde die Sicht nimmt.
    »Es ist alles in Ordnung, Timothy«, ruft sie ihm zu. »Egal, was passiert, es wird alles gut.« Als er ihre Stimme hört, wird aus seinem Bitten und Weinen ein leises Wimmern.
    Miracolina versucht sich zu bewegen. Sie sitzt aufrecht, und da ihr beim Schlafen der Kopf nach vorn herunterhing, schmerzt ihr nun der Nacken. Die Hände sind hinter dem Rücken zusammengebunden, die Beine an den Stuhl gefesselt, auf dem sie sitzt, nicht so fest, dass es wehtut, aber doch fest genug, dass sie nicht aufstehen kann.
    »Gut«, hört sie die Stimme eines Jungen vor ihr. »Sie können ihnen die Augenbinde abnehmen.«
    Der Stoff wird weggezogen, und obwohl das Licht im Raum nicht hell ist, fällt es ihr schwer, die Augen offen zu halten. Sie blinzelt, damit sie sich langsam an die Helligkeit gewöhnen kann, und blickt sich dann um.
    Sie befinden sich in einem eindrucksvollen, hohen Tanzsaal. Kristalllüster, Bilder an den Wänden – hier könnte das französische Königshaus die höhere Gesellschaft empfangen haben, ehe die Blaublütigen einen Kopf kürzer gemacht wurden. Allerdings hat der Raum seine Glanzzeiten schon lange hinter sich. In der Decke klaffen Löcher, durch die Tauben hereinfliegen und wieder ins Tageslicht entschwinden. Die Malereien sind der gnadenlosen Witterung ausgesetzt und blättern von den Wänden, und ein unangenehmer Schimmelgeruch hängt in der Luft. Miracolina hat keinen Anhaltspunkt dafür, wie weit sie von ihrem ursprünglichen Ziel entfernt ist.
    »Es tut mir leid, dass wir euch so behandeln mussten«, sagt der Junge, der vor ihnen sitzt. Nichts an ihm erinnert an einen König. Er trägt eine einfache Jeans und ein hellblaues T-Shirt. Sein Haar ist hellbraun, fast blond, und zu lang; er hat es wohl schon seit Längerem nicht mehr schneiden lassen. Er ist etwa in Miracolinas

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