Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
Abteilen, die durch einen Vorhang voneinander getrennt sind und so die Illusion von Privatsphäre erzeugen. Risa hat mit der alten Kabine der ersten Klasse gleich neben dem Haupteingang den größten Wohnbereich, dabei kann sie Extrawürste nicht leiden. Schon das barrierefreie Flugzeug hebt sie von den anderen ab, und ihre kaputte Wirbelsäule macht sie zwar zur Heldin, verdammt sie aber zu ständiger Sonderbehandlung.
Das einzige Flugzeug, das auch eine Rampe hat, ist der Sanitätsflieger, in dem Risa arbeitet. Damit hat sie nur zu einer sehr beschränkten Anzahl von Räumen Zugang und verbringt ihre Freizeit draußen, sofern sie die Hitze ertragen kann.
Unter einem Tarnkappenbomber, dem sie den Spitznamen Hush Puppy gegeben haben, wartet Risa jeden Tag um fünf auf Connor.
Jeden Tag kommt Connor zu spät.
Die ausladenden schwarzen Tragflächen des Bombers werfen einen großen kreisförmigen Schatten und die radarabsorbierende Beschichtung vertreibt die Hitze aus der Luft. Es ist einer der kühlsten und coolsten Flecken auf dem Friedhof.
Endlich sieht Risa ihn. Mit seiner blauen Uniform sticht Connor zwischen den anderen Kids auf dem Friedhof deutlich hervor. »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr«, sagt Risa, als er im Schatten von Hush Puppy angelangt ist.
»Ich habe das Zerlegen eines Triebwerks überwacht.«
»Klar«, erwidert Risa schmunzelnd. »Das kann ja jeder sagen.«
Zu diesen täglichen Treffen mit Risa bringt Connor seine gesamte Anspannung mit. Nur wenn er mit ihr zusammen sei, sagt er, fühle er sich wie ein normaler Mensch, aber richtig locker wird er nie. Im Grunde hat sie ihn, seit sie ihn kennt, nie entspannt erlebt. Da ist es auch nicht gerade eine Hilfe, dass Legenden durch die Welt geistern, die ein Eigenleben entwickelt haben. Diese Geschichten um Connor und Risa haben in der Bevölkerung tiefe Wurzeln geschlagen, denn kaum etwas ist faszinierender als die Romanze zwischen zwei Gesetzlosen. Sie sind die neuen Bonnie und Clyde, ihr Konterfei ziert Autoaufkleber und T-Shirts.
Kaum zu glauben, aber diese Berühmtheit haben sie der Explosion im Happy Jack Ernte-Camp zu verdanken. Der Rest der Welt geht natürlich davon aus, dass Connor, der als erster Wandler aller Zeiten in einem Stück aus einem Schlachthaus kam, tot ist. Risa gilt als vermisst, und mal heißt es, dass sie ebenfalls gestorben ist, mal, dass sie sich in einem flüchtlingsfreundlichen Land versteckt, sofern es so etwas überhaupt noch gibt. Risa fragt sich, was aus der Legende würde, wenn die Menschen wüssten, dass sie hier leben, in der Wüste von Arizona, staubig und von der Sonne verbrannt.
Eine Brise fegt unter dem Bauch von Hush Puppy hindurch und treibt Risa noch mehr Staub in die Augen. Sie blinzelt.
»Bist du bereit?«, fragt Connor.
»Immer.«
Connor kniet sich vor Risas Rollstuhl und massiert ihr die Beine, damit an den Stellen, an denen sie nichts mehr spüren kann, die Blutzirkulation in Gang kommt. Diese Massage ist ihr tägliches Ritual, zugleich distanziert und klinisch und doch merkwürdig intim. Connor ist mit den Gedanken ganz woanders.
»Dir liegt doch was auf der Seele.« Es ist eine Feststellung, keine Frage. »Komm schon, raus damit.«
Connor seufzt, sieht zu ihr hoch und stellt die große Frage.
»Warum sind wir hier, Risa?«
Sie denkt nach. »Meinst du das im philosophischen Sinne, oder warum wir beide hier sind und jeder, der will, uns zusehen kann?«
»Lass sie gucken«, schnaubt er. »Ist mir egal.« Und das stimmt auch, denn auf dem Friedhof geht als Allererstes die Privatsphäre flöten. Nicht einmal der kleine Privatjet, den Connor für sich beansprucht, hat Vorhänge an den Fenstern. Nein, Risa weiß schon, dass seine Frage weder mit ihrem täglichen Ritual zu tun hat noch mit der großen Sinnfrage der Menschheit.
»Ich meine: Warum sind wir immer noch hier auf dem Friedhof? Warum haben uns die JuPos nicht schon lange abgeholt?«
»Du hast es doch selbst gesagt: Sie sehen uns nicht als Bedrohung.«
»Sollten sie aber«, erwidert Connor. »Die sind doch nicht doof … Es muss einen anderen Grund geben, warum sie uns noch nicht haben hochgehen lassen.«
Risa massiert Connor die angespannte Schulter. »Du denkst zu viel nach.«
Jetzt muss Connor doch lächeln. »Als wir uns kennengelernt haben, hast du mir vorgeworfen, dass ich nicht genug nachdenke.«
»Tja, scheint so, als ob dein Gehirn das jetzt aufholt.«
»Nach allem, was wir erlebt haben, was wir gesehen haben, ist
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