Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
Alltags. »Unter Führung versteht man die Fähigkeit, dafür zu sorgen, dass die Toiletten funktionieren«, hatte der Admiral außerdem gesagt. »Es sei denn, man ist an der Front. Dann geht es ums Überleben. Beides ist nicht angenehm.«
Im Mittelgang sitzen Jugendliche unter dem Freizeitflieger, schauen fern oder spielen am Computer. Andere haben schon ihre Schicht angefangen, zerlegen Teile oder bauen sie wieder zusammen, je nachdem, welche Aufträge aus dem Büro kommen. Manchmal wird Connor das Gefühl nicht los, dass das alles funktioniert, obwohl , nicht weil er da ist.
Kaum taucht Connor im Mittelgang auf, wird er mit Fragen bombardiert.
»Hey, Connor!« Ein Junge rennt auf ihn zu. »Will mich ja nicht beschweren, aber, äh, können wir nicht mal besseres Essen bekommen? Ich meine, ich weiß, man muss nehmen, was man kriegt, aber wenn ich noch einmal Eintopf mit Rindfleischgeschmack ohne Rindfleisch essen muss, muss ich bestimmt kotzen.«
»Ja, und allen anderen geht’s genauso«, erklärt ihm Connor.
»Mr Akron?«, spricht ihn ein etwa vierzehn Jahre altes Mädchen an. Connor kann sich einfach nicht daran gewöhnen, dass so viele Jugendliche, besonders die Jüngeren, nicht nur lächerlich viel Respekt vor ihm haben, sondern auch glauben, dass er mit Nachnamen Akron heißt. »Ich weiß nicht, ob Sie es schon wissen, aber die Klimaanlage in Crash Mama ist kaputt, und nachts ist es schrecklich heiß.«
»Ich schicke jemanden, der das repariert«, verspricht Connor. Dann kommt ein dritter Jugendlicher, der sich über die Müllberge beschwert. Ob Connor da etwas tun könne?
»Die meiste Zeit komme ich mir vor wie ein Hausmeister«, sagt Connor zu Trace. »Ich bräuchte etwa zehn zusätzliche Hände, um das alles hier am Laufen zu halten.«
»Du hast sie«, ruft Trace ihm in Erinnerung. »Du musst sie nur einsetzen.«
»Ja, ja.« Connor hört das nicht zum ersten Mal. Trotzdem darf er Trace seine Worte nicht übelnehmen, denn immerhin hat er ihn sich genau deshalb an die Seite geholt: damit er ihm solche Ratschläge erteilt. Connor hat, so merkwürdig ihm das auch vorkommt, mittlerweile akzeptiert, dass er so etwas wie ein Anführer ist. Aber wie der Admiral ja schon gesagt hat, ist das eben ein ziemlich undankbarer Job.
Als er vom Admiral die Führung des Friedhofs übernahm, baute Connor eine eigene Machtstruktur auf: einen inneren Kreis, einen äußeren Kreis und alle restlichen Jugendlichen. Die Mitglieder des inneren Kreises müssten sich eigentlich um das Essen und um sanitäre Anlagen kümmern, denn Connor hat Wichtigeres um die Ohren. Er muss zum Beispiel dafür sorgen, dass sie alle nicht zerlegt werden.
»Ich berufe eine Versammlung ein, sobald ich mit dem Vertreter des Widerstands geredet habe«, sagt Connor zu Trace. »Und dann delegiere ich auch wieder mehr Aufgaben.«
»Vielleicht solltest du genauer darauf achten, an wen du sie delegierst«, gibt Trace zu bedenken.
Connor hätte nie geahnt, dass er so eine große Verantwortung überhaupt schultern kann, doch nun, da er es weiß, wünschte er sich manchmal, er könnte mal wieder nur für sich allein verantwortlich sein. Es gibt noch so viel, was er gern tun würde. Dank Lev und seiner durchgeknallten Klatscher-Zelle ist Connor zwar um die Umwandlung herumgekommen, aber wie ein vollständiger Mensch fühlt er sich immer noch nicht.
6.
Risa
Auf dem Friedhof lebt nur eine behinderte Bewohnerin. Da behinderte Menschen die Umwandlung nicht fürchten müssen, tauchen sie auch nicht auf dem Friedhof auf. Das kollektive Mitgefühl, das sich in dieser Regelung niederschlägt, ist löchrig wie ein Schweizer Käse: Glück haben die, denen diese Gnade erwiesen wird, Pech die anderen, die durch die Löcher fallen.
Dass Risa behindert ist, hat sie selbst entschieden. Sie hat eine Operation ihrer gebrochenen Wirbelsäule abgelehnt, weil sie das Transplantat eines umgewandelten Jugendlichen erhalten hätte. Eine Wirbelsäulenverletzung war früher unheilbar, und wer dieses Schicksal erlitt, musste bis zum Ende seiner Tage damit leben. Risa fragt sich, ob es damals schwieriger war oder heute, da sie weiß, dass sie geheilt werden könnte.
Sie wohnt in einer alten McDonnell Douglas MD-11, zu deren Haupteingang eine hölzerne Rampe führt. Das Flugzeug trägt den passenden Namen Barrierefrei-Mac, kurz BarMac. Derzeit teilt Risa es sich mit zehn Jugendlichen, die sich den Knöchel verstaucht haben oder anderweitig verletzt sind. Sie wohnen in
Weitere Kostenlose Bücher