Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
Prozentsatz der Friedhofsbewohner. Doch er entschied, die Jugendlichen erst nach und nach wegzuschicken, damit die nahe gelegene Stadt Tucson nicht mit einem Schlag von neunhundert obdachlosen Teenagern überschwemmt wurde. Die Aufforderung, diese Jugendlichen alle auf einmal gehen zu lassen, hätte für ihn ein weiteres Zeichen für die Führungsschwäche innerhalb der AUF sein müssen.
Connor entließ die Siebzehnjährigen im Verlauf von zwei Monaten, doch die AUF reduzierte den Nachschub sofort, als wären diese Jugendlichen plötzlich nicht mehr ihr Problem. Nach der Entlassung der Siebzehnjährigen, dem Weggang von Jugendlichen, die an Arbeitsstellen vermittelt wurden, sowie derer, die wegen der Nahrungsmittelknappheit abgehauen waren, war die Zahl der flüchtigen Wandler auf dem Friedhof auf etwa siebenhundert zurückgegangen.
»Wie ich sehe, habt ihr einen hübschen Garten angelegt, und Hühner habt ihr auch, oder?«, stellt Rincon fest. »Ihr müsst ja mittlerweile Selbstversorger sein.«
»Ganz und gar nicht. Die Grüne Zeile deckt nur ein Drittel unseres Nahrungsbedarfs, und da uns die AUF nicht genug liefert, mussten wir sogar schon Lastwagen ausrauben, die mit Lebensmitteln auf dem Weg nach Tucson waren.«
»Oje«, sagt Rincon. Das ist alles: »Oje.« Er kaut auf seinem Stift herum.
Connor, der noch nie sonderlich viel Geduld hatte, hat es satt, um den heißen Brei herumzureden. »Hast du mir jetzt noch etwas Nützliches mitzuteilen, oder wolltest du mir nur die Zeit stehlen?«
Rincon seufzt. »Im Grunde ist es so, Connor: Wir glauben, der Friedhof ist aufgeflogen.«
Connor kann nicht fassen, was dieser Idiot ihm da erzählt. »Natürlich ist er aufgeflogen! Ich habe euch doch gesagt, dass er aufgeflogen ist! Die JuPos wissen von uns. Seit ich hier die Führung übernommen habe, sage ich euch, dass wir umziehen müssen!«
»Ja, wir arbeiten daran, aber bis es so weit ist, können wir nicht weiter wertvolle Ressourcen in eine Einrichtung stecken, der jeden Augenblick eine Razzia der JuPos droht.«
»Soll das heißen, ihr lasst uns hier verrotten?«
»Das habe ich nicht gesagt. Du hast ja alles gut im Griff. Und mit etwas Glück tauchen die JuPos gar nicht hier auf …«
»Mit etwas Glück?« Connor springt auf. »Widerstand hat doch nichts mit Glück zu tun! Wir erwarten Taten! Aber was tut ihr denn schon? Ich schicke euch Pläne für die Infiltration von Ernte-Camps und die gewaltlose Befreiung von Wandlern, damit die Leute nicht abgeschreckt werden und das Ganze nach hinten losgeht – und alles, was ich von der AUF zu hören bekomme, ist: ›Wir arbeiten daran, Connor‹, oder: ›Wir denken darüber nach, Connor.‹ Und jetzt erzählst du mir, ich soll auf das Glück hoffen? Wozu, zum Teufel, ist die AUF eigentlich da?«
Für Rincon ist das anscheinend das Stichwort, das Gespräch zu beenden.
»He, ich bin nur der Überbringer der Nachricht – lass es nicht an mir aus!«
Doch das bringt das Fass zum Überlaufen. Connor schlägt »Nenn-mich-Joe«-Rincon Rolands Faust ins Gesicht. Er trifft ihn am Auge, und als der Mann gegen die Wand geschleudert wird, spricht aus seinem Blick keine Verachtung, sondern nur die pure Angst, Connor könnte noch nicht genug haben. So viel zur Gewaltfreiheit. Connor weicht ein paar Schritte zurück.
»Das war meine Nachricht«, sagt er. »Bring sie den Leuten, die dich geschickt haben.«
Auf dem Friedhof steht eine Boeing 747 ohne Tragflächen, die wie jedes andere Flugzeug entkernt, anschließend aber mit Trainingsgeräten ausgestattet wurde. Sie wird als FitBo bezeichnet, doch einige nennen sie auch den »Boxring«, weil es dort so viele Schlägereien gibt.
Connor geht in die FitBo, um seinen Frust loszuwerden.
Er drischt auf den großen Sandsack ein wie auf einen Gegner, den er gleich in der ersten Runde k.o. schlagen will. Dabei stellt er sich die Gesichter der Jugendlichen vor, die ihn an diesem Tag genervt haben, und derjenigen, die immer eine Ausrede dafür finden, dass sie nicht tun, was sie tun sollten. Und er lässt auch gleich seine Wut über Leute wie Rincon aus, sämtliche JuPos, mit denen er es je zu tun hatte, und die ständig lächelnden Berater im Ernte-Camp, die ihnen vormachten, für die Wandler gäbe es nichts Besseres als die Umwandlung. Hin und wieder sieht er auch die Gesichter seiner Eltern vor sich, denn sie haben die Maschinerie, die ihn hierhergeführt hat, überhaupt erst in Gang gesetzt. Wenn er an sie denkt, kann er den
Weitere Kostenlose Bücher