Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
bis er merkte, dass es eine codierte Botschaft von Connor war. Da Levs Post möglicherweise von der einen oder anderen Behörde überwacht wird, kann Connor nur auf diesem Weg Kontakt mit ihm aufnehmen und hoffen, dass Lev schlau genug ist, seine Worte zu entschlüsseln. Alle paar Monate kommt so ein Brief, der immer woanders abgestempelt ist, damit er nicht zum Friedhof zurückverfolgt werden kann.
»Und was schreibt er so?«, fragt Lev.
»Er ist an dich adressiert. Ob du es glaubst oder nicht, ich lese deine Post nicht.«
Als sie nach Hause kommen, hält Marcus ihm den Brief hin, allerdings zunächst so, dass Lev nicht drankommt. »Versprich mir, dass du dich nicht wieder in ein tiefes Loch einbuddelst und eine Woche vor dich hin brütest und Videospiele zockst.«
»Wieso, hab ich das jemals gemacht?«
Marcus sieht ihn nur mit diesem finsteren Du-machst-wohl-Witze?-Blick an. Stimmt schon. Da er unter Hausarrest steht, hat Lev nicht viel, womit er sich die Zeit vertreiben kann. Und es ist wahr, dass ihn Connors Botschaften immer verunsichern. Seine Gedanken drehen sich dann im Kreis und entführen ihn an Orte, an denen er lieber nicht wäre.
»Das ist ein Teil deines Lebens, den du hinter dir lassen musst«, ruft Marcus ihm in Erinnerung.
»Du hast recht und auch wieder nicht.« Lev erläutert das nicht näher, weil er selbst nicht genau weiß, was er damit meint. Er öffnet den Brief. Die Handschrift ist dieselbe, aber er vermutet, dass es nicht Connors Schrift ist. Falls man sie analysieren würde, könnte man sie sonst mit ihm in Verbindung bringen. Der Verfolgungswahn, unter dem sie leiden, lässt sich so leicht nicht abschütteln.
Lieber Cousin Levi,
nachträglich alles Gute zum Geburtstag! Ich weiß, dass der vierzehnte Geburtstag dir mehr bedeutet als den meisten anderen, nach allem, was du erlebt hast. Auf der Ranch ist viel zu tun. Die großen Fleischkonzerne drohen mit einer Übernahme, aber bisher ist uns das erspart geblieben. Wir haben einen Geschäftsplan entwickelt, der uns im Notfall wohl retten könnte.
Seit ich die Ranch übernommen habe, muss ich hart arbeiten, und ich bekomme nicht viel Unterstützung von den Nachbarn. Ich wünschte, ich könnte einfach alles stehen und liegen lassen, aber wer außer mir käme mit den Rancharbeitern klar?
Wir kennen deine derzeitige Lage und wissen, dass du uns nicht besuchen kannst. Wollen wir auch gar nicht. Hier gibt es jede Menge durchgeknallter Rinder. Am besten hältst du dich fern und hoffst auf das Beste.
Pass auf dich auf und grüß deinen Bruder von uns. Er ist fast so ein Held wie du.
Mit besten Grüßen,
Cousin Carl
Viermal liest Lev den Brief und klopft ihn auf mögliche Bedeutungen ab. Die JuPos drohen den Friedhof auffliegen zu lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Unterstützung von Seiten des Widerstands nicht ausreicht. Levs Alltag hat sich von dieser Unterwelt der verzweifelten Seelen weit entfernt, und wenn er davon hört, fühlt er sich wie ein Schlittschuhläufer, unter dessen Kufen das Eis zu knacken beginnt. Am liebsten würde er wegrennen – egal wohin, zu Connor, von ihm weg, er weiß auch nicht. Er hält es nur nicht mehr aus, immer auf der Stelle zu treten. Er wünschte, er könnte Connor antworten, doch das wäre verrückt. Es ist schon gefährlich genug, hin und wieder Post von einem erfundenen »Cousin« zu erhalten. Wenn er dann auch noch einen Brief zum Friedhof schickte, könnte er Connor auch genauso gut eine Zielscheibe auf den Rücken heften. Frustriert muss Lev einsehen, dass die Kommunikation mit »Cousin Carl« eingleisig bleiben wird.
»Wie läuft’s denn so auf der Ranch?«, fragt Marcus.
»Nicht so gut.«
»Wir tun, was wir tun können, okay?«
Lev nickt. Marcus ist, was den Widerstand angeht, alles andere als träge. Er hilft dabei, flüchtige Wandler von der Straße zu holen und sie in Geheimverstecke zu bringen, und spendet sogar einen satten Anteil seines Einkommens als Rechtsanwaltsgehilfe.
Lev gibt ihm den Brief und Marcus ist nach der Lektüre genauso beunruhigt wie er. »Wir müssen abwarten, wie sich das alles entwickelt.«
Lev geht im Wohnzimmer auf und ab. Obwohl die Fenster nicht vergittert sind, kommt er sich plötzlich eingesperrt vor, wie in Einzelhaft.
»Ich müsste mich öffentlich gegen die Umwandlung aussprechen.« Diesmal verzichtet er auf die Verschlüsselung seiner Worte. Seit sich sein Einsiedlerleben eingependelt hat, muss er die Überwachung nicht mehr fürchten. Die
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