Vollidiot
Peters und ich habe ihrer sieben-jährigen Tochter aus purer Bosheit ein Fotohandy mit einem Jahresvertrag verkauft«
»Die Tochter war acht! Und es ist ein Zweijahresvertrag.«
»Du drehst echt durch!«
»Und von Klingeln hab ich nix gesagt!«
Ich muss mich echt mal um coolere Freunde kümmern. Flik geht ja gar nicht mehr. Macht sich in die Hosen, weil wir uns von einem kleinen Mädchen einen Vertrag zurückholen, der sowieso nicht rechtsgültig ist.
»Ich mach da nicht mit, Simon!«
»Dann bleib im Auto, mach dir einen Tee und freu dich, dass Schalke weiter ist! Aber warte 'ne Weile, bevor du ihn trinkst, sonst verbrennst du dich und stirbst!«
»Blödmann!«
Vor einem großen weißen Einfamilienhaus im Stadtteil Lindenthal lasse ich den Wagen ausrollen. Ich dreh das Radio aus, zünde mir eine Prince Denmark an und wähle die Festnetznummer, die mir die kleine Ulrike in den Vertrag diktiert hat. Nach dem sechsten Klingeln geht ein Anrufbeantworter dran. Ich warte auf den Piep und rülpse »Te-lekom, wir machen das!« aufs Band. Witzig. Keine Reaktion von Flik.
»Die Chancen stehen gut, dass keiner da ist!«, beruhige ich ihn.
»Und ... das heißt?«
»Dass ich in zehn Minuten zurück bin!«
Flik blickt kopfschüttelnd aus dem Wagen und schnauft ganz komisch, als habe er gerade tierischen Stress. Dabei sitzt er ja nur rum und guckt blöd. Wahrscheinlich ist das für dicke Menschen aber schon höllisch anstrengend. Ich steige aus und gehe zum Hauseingang. Mommsenstraße 88, so wie's im Vertrag steht. Bingo. Auf der Klingel steht Günther. Ich springe über das gusseiserne Gartentor und schleiche an einem Kinderfahrrad vorbei um das Haus herum, bis ich zur Terrasse gelange. Über eine kleine Mauer komme ich relativ problemlos auf den Balkon. Ich freue mich, wie leicht man es mir macht, denn die Balkontür lässt sich einfach so aufschieben. Wenn ich so 'ne edle Hütte hätte, wäre an jedem Mauseloch ein Sicherheitsschloss. Ich ziehe den Vorhang ein wenig zur Seite und sehe exakt nichts. Ich gehe einen Schritt ins Zimmer und stehe immer noch komplett im Dunkeln. Simon Peters unterwegs in geheimer Mission der Rote Eule Fraktion. Es sind genau diese Details, die entscheiden, ob es ein Weltunternehmen wie die Telekom schafft oder nicht. Wenn alle Mitarbeiter so viel Engagement zeigen würden wie ich, dann wäre der Aktienkurs auch nicht im Arsch. Trotzdem: Die Überstunden reiche ich gleich morgen ein, das steht schon mal fest.
Ich mache die Augen auf, so weit es geht, und wage mich einen weiteren Schritt ins Zimmer. Jetzt kann ich die Konturen eines Kinderbettes erkennen. Es ist leer. Offenbar sind alle aus dem Haus. Ich streiche über die Bettwäsche. Sie ist kalt. Wahrscheinlich haben die Eltern ihre Tochter schon in ein Schweizer Internat gesteckt, weil sie so einen Mist mit dem Handy gebaut hat. Mir kommt's gelegen, dass die Hütte leer ist. Es gibt Angenehmeres als ein kleines Mädchen mit Teddy in der Hand, das laut »Mama« schreit, weil ein besoffener Typ mit Schalke-Trikot vor ihrem Bettchen steht. Am allerangenehmsten wäre es natürlich, wenn direkt neben dem Bettchen das Fotohandy und die Durchschrift des Vertrages liegen würden. Ich taste mich an der Wand entlang und finde den Lichtschalter. Klick. Da ich kein Einbrecher bin, sondern hier nur eine Kleinigkeit regeln muss, darf ich auch Licht machen, finde ich. Ich schaue mich um. Über einem roten Lackschreibtisch mit Alubeinen hängt eine Korkpinnwand mit zwei Ansichtskarten aus Florida und einem Ricky-Martin-Aufkleber aus der Bravo. Armes Mädchen! Wann sie wohl erfahren wird, dass der Gute schwul ist? Ich entscheide mich für meine zweite gute Tat am Tag und schreibe »Ricky Martin ist ein Hinterlader!« neben die Karte. Dann wähle ich die Handynummer, die ich ihrem Fotohandy zugeteilt habe. Und tatsächlich: Nach ein paar Sekunden klingelt es irgendwo im Haus. Das heißt, es klingelt nicht, sondern es quäkt ein polyphoner Ricky-Martin-Song. Während ich das Geräusch orte, singe ich lispelnd mit, erst leise, dann lauter.
Un dos tres ... noch eine Weile, dann hab ich die Handy. Ich knipse das Licht aus und trete in den Flur. Die Melodie wird ebenfalls lauter.
Un dos tres ... und gebe der Eule zurück.
Über mehrere Oberlichter strahlt der Mond auf einen edlen Dielenboden. Ich taste nach einem Schalter, finde ihn und drücke drauf. Ein Meer von Halogenlampen beleuchtet den Flur. An der Wand hängt moderne Kunst. Scheinen nicht gerade
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