Vollidiot
drittes, um sich wieder in die Loge zu trauen. Weichei. Als wir uns schließlich auf die letzten beiden VIP-Plätze vor der Sponsoren-Lounge schleichen, hat das Spiel schon begonnen. Der grau melierte Herr ist auch verschwunden. Ich genehmige mir ein weiteres Veltins auf Vereinskosten. Man braucht kein Kenner der Szene zu sein, um zu bemerken, dass Schalke einen ordentlichen Mist zusammenkickt. Auch Flik schaut reichlich sparsam aus der Vereinswäsche, als unten auf dem Platz so rein gar nichts passiert. Einziger Höhepunkt der ersten Hälfte ist dann auch der Name des österreichischen Torhüters: Der heißt nämlich Schickl-gruber und hält kurz vor der Pause noch den Torschuss eines gewissen Altintop.
Die alberne Pausenshow überbrücke ich mit zwei weiteren Veltins. In der zweiten Halbzeit pfeifen sogar die Schalker Fans. Grund genug, mir nach jedem Fehlpass ein neues Bier zu holen und Flik mit irgendwelchen beknackten Fußballfragen zu löchern, damit er wieder locker wird.
»Wer ist denn jetzt eigentlich so der beliebteste Spieler bei Schalke?«
»Ebbe Sand. Hamit Altintop vielleicht auch.«
»Der, der kurz vor der Pause nicht getroffen hat?«
»Genau der!«
»Tja ... Schicklgruber is halt Chef!«
»Jaja ...«
»Und dieser Altintop ..., also so im Vergleich ... ist der jetzt beliebter als Ballack?«
»Ballack spielt bei den Bayern!«
»Ach ja, klar!«
Ich kann machen, was ich will. Flik bleibt zugeschnürt und äußerst einsilbig. Irgendwann hab ich genug von der Nullnummer auf dem Rasen und gehe wieder nach drinnen in die Loge, wo inzwischen eine Art Nachtischbuffet aufgebaut wurde. Weil ich kein Veltins mehr sehen kann, nehme ich mir eine Tasse Kaffee und ein Stück von einem blauweißen Kuchen in Form eines halben Fußballs. Der Kuchen schmeckt sensationell lecker. Ich beschließe, erst gar nicht mehr auf meinen Platz zurückzugehen, das Gekicke von drinnen weiterzuverfolgen und es mir ein wenig gut gehen zu lassen. Es erfüllt mein Ego mit großer Genugtuung, dass ich mir auf einem italienischen Designersofa gratis den Bauch mit Garnelen und Kuchen voll stopfen kann, während das gewöhnliche Fußvolk in der Fankurve mal eben 500 Euro für 'n Dauerkarte abdrücken muss. Ich nehme mir ein weiteres Kuchenstück mit einer lustigen Sechs aus Spritzguss und gieße mir Kaffee nach. Der Schiedsrichter pfeift ab, und ein enttäuschter Flik setzt sich zu mir auf die Couch.
»Und?«, frage ich schmatzend.
»Egal, Hauptsache, sie sind weiter!«
»Wenn's nach mir ginge, wären sie nich weiter!«
Ich bemerke einen bösen Blick von Flik und nehme einen weiteren Bissen von meinem königsblauen Kuchenstück. Inzwischen schwärmen die Anzugträger mit ihren aufgetakelten Damen wieder zu ihren Champagner-Stehtischchen. Irgendwas scheint noch geplant zu sein, denn die gut verdienenden Damen und Herren formen einen Halbkreis um meinen wieder aufgetauchten Zigarillofreund Assamer. Die jüngere Frau, mit der er sich am Tisch unterhalten hat, setzt zu einer kurzen Rede an, in der unter anderem die Worte Geburtstag und Sechzig vorkommen und überreicht dem grau melierten Rudi den Rest vom blauen Fußballkuchen mit der Zahl Null. Dann starren plötzlich alle auf mich und mein Kuchenstück mit einer halben sechs. Sekunden später verlassen Flik und ich vergleichsweise zügig die Loge. Vermutlich, weil wir VIP-Gäste waren, begleiten uns zwei große Herren mit Knopf im Ohr bis zu meinem gelben Peugeot. Sie winken nicht, als wir vom Parkplatz P3 Richtung Autobahn fahren.
Wir reden kein Wort auf der Fahrt nach Hause. Flik ist sauer. Um nicht zu sagen stinksauer. Als wir in Köln am Fernsehturm mit dem pinken Telekom-Logo vorbeifahren, fällt mir ein, dass ich noch was erledigen muss. Ich informiere Flik. Begeistert ist er nicht.
»Du bist doch total bekloppt. Um die Zeit und dann noch besoffen!«
»Ich hab der Eule versprochen, dass ich mich heute drum kümmere. Und jetzt ist gerade noch heute, weil nachher ist ja schon morgen, und dann gibt es Ärger!«
Offenbar hab ich mich nicht richtig verständlich gemacht, denn Flik zeigt mir einen Vogel, als ich an einer roten Ampel den Vertrag aus meiner Jeans fummle.
»Sag mal, Simon, du willst jetzt nicht wirklich da hinfahren, oder?«
»Willst DU fahren?«
Flik ist ganz aufgebracht. Ich hab keine Ahnung, wo jetzt wieder das Problem ist.
»Simon! Was macht das denn für 'n Eindruck, wenn du um die Zeit klingelst? Und was willste dann sagen? >Guten Abend, mein Name ist
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