Vollidiot
auch kein Schalke-Fan. Die älteren Herrschaften, die um mich herum sitzen, sind aber offenbar auch keine, denn sie machen beim Namenrufspiel gar nicht mit, womöglich, weil sie teure Anzüge tragen und Damen dabeihaben mit viel Schmuck und so. Ich schnappe mir meine zweite Garnele, bevor Flik sie mir wegfressen kann und noch fetter wird. An einem Stehtisch unterhalten sich zwei Herren mit Schalke-Krawatte über einen Spanier, den der Verein gerade jetzt kaufen sollte, der aber zu teuer ist. Spanien. Zack! Schon bin ich in meinen Gedanken wieder bei Fliks Daniela vom Spanisch-Konversationskurs. Irgendwie hab ich richtig Schiss, dass sie gut aussieht. So was soll es ja geben! Flik, der im Fantrikot rechts neben mir sitzt, grinst blöd und stumm in die Runde. Ihm scheint das hier richtig zu gefallen.
»Noch ein Pils, der Herr?«
Ein weiß beschürztes, sehr junges Mädchen mit Tablett lächelt uns an.
»Sehr gerne!«
Der einzige Lichtblick des Abends: frei saufen. Ich frage Flik, was das überhaupt für ein Spiel ist heute Abend, einfach so, um irgendwas zu fragen.
»Das hast du doch schon im Auto gefragt.«
»Hab ich?«
»Ja!«
»Sag's mir noch mal!«
»UEFA-Intertotocup-Finale. Das Rückspiel gegen Pasching!«, lautet die leicht genervte Antwort. Jetzt weiß ich, warum ich das wieder vergessen habe. Weil man sich so was unmöglich merken kann.
»Genau, das war's!«
Mir fällt auf, dass der dicke Flik irgendwie nervös wirkt. Womöglich hat sogar er jetzt bemerkt, dass wir hier in unseren ausgewaschenen Trikots aus der vorvorletzten Saison nicht wirklich an den Mahagonitisch passen.
»Alles klar, Flik?«
Das weiß beschürzte Mädchen stellt mein Bier auf den Tisch, und ich nehme dankbar einen großen Schluck. Flik bewegt seinen Kopf kurz bedeutungsvoll in Richtung eines grau melierten Herrn, der direkt links neben mir sitzt. Er unterhält sich mit einer jüngeren Frau, raucht Zigarillo dabei und pustet den Rauch in unsere Richtung, um die Dame nicht zu belästigen. Okay! Zeit für meine gute Tat des Tages und vielleicht ja auch Wiedergutmachung für meine Sprüche am Morgen. Mit einem Lächeln wende ich mich an das Grauschläfchen.
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche ...«
Leider lässt sich der Herr nicht einfach so unterbrechen. Flik schüttelt panisch den Kopf und tritt mir gegen das Schienbein.
»Simon, lass!«
Doch ich lasse mich nicht beirren. Nur weil wir alberne, blaue Fußballleibchen tragen, heißt das nicht, dass man mit uns machen kann, was man will.
Mein diesmal lauter vorgetragenes »Hallo? Entschuldigung?« führt auch beim Rest am Tisch zu einem Verstummen der Gespräche. Schließlich habe ich nicht nur die Aufmerksamkeit des Zigarillorauchers, sondern die der ganzen Schnöselbande.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, woanders zu rauchen?«, frage ich mit fester Stimme. »Der Rauch zieht nämlich direkt zu uns rüber, und dann wird meinem Freund schlecht. Wäre nett!«
Stille am Tisch. Ich hätte genauso sagen können: »Entschuldigen Sie, aber Sie sehen aus wie der aidskranke Stricher, der mir gestern im Puff mein Nokia geklaut hat.« Es hätte die gleiche Reaktion hervorgerufen. Auch Fliks Froschaugen treten noch ein wenig mehr hervor als üblich. Schließlich bricht der graue Herr das Schweigen.
»Sie sind ...?«
»Simon Peters. Mein Kumpel hier und ich, wir haben nämlich VIP-Karten. Und Sie?«
»Rudi Assauer. Ich hoffe, es schmeckt Ihnen!«
Damit wendet er sich wieder seiner jüngeren Begleitung zu. Auch die anderen Leute am Tisch sprechen wieder, haben aber offenbar das Thema gewechselt, denn ich vermag Satzfetzen der Couleur »unglaublich dreist«, »was bildet der sich ein« und »sollte man rausschmeißen!« zu vernehmen. Der bleiche Flik steht auf und bedeutet mir, ihm zu folgen. Wir sind keine zwei Meter vom Tisch weg, da platzt es aus ihm heraus.
»Sag mal, weißt du überhaupt, wer das ist?«
Der arme Flik ist inzwischen knallrot angelaufen. Und natürlich weiß ich nicht, wer das ist.
»Hat er doch gesagt: Assammer oder so.«
»Assauer, du Volldepp! Rudi Assauer. Du kannst doch dem Manager von Schalke 04 nicht in seiner eigenen Loge das Rauchen verbieten!«
Hups! Komm ich da irgendwie wieder raus? Probieren kann ich's ja mal.
»Duuuu hast doch so blöd geguckt wegen dem Rauch und auf den Assamer gezeigt!«
»Assauer, du Arsch!«
Wir streiten noch gute zehn Minuten weiter und schaffen dabei jeder zwei Veltins. Der dicke Flik braucht noch ein
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