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Vollidiot

Vollidiot

Titel: Vollidiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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Könnt ihr bitte die ganze Szene noch einmal zwei Minuten zurückspulen und von vorne anfangen? Wäre das bitte jetzt möglich? Oder muss ich mich erst mit Mandellikör übergießen, anzünden und als riesiger Feuerball schreiend durch die Glasfront in die Fuß-gängerzone brechen? Ist es das, was ihr sehen wollt?
    Offenbar ist es das, denn es spult mich keiner zurück. Simon, reiß dich zusammen, verdammt noch mal. Du bist keine sechzehn! Und dies hier ist nicht die erste schöne Frau, die du in deinem Leben ansprichst!
    »Okay ... sorry ... äh ... ich nehme also ...«
    Es klappt!
    »Ich nehme also einen Kaffee ...«
    »Was für einen Kaffee?
    »Einen ganz normalen Kaffee!«
    »Einen Coffee of the day?«
    »Genau den!«
    »Small, tall, grande?«, fragt sie mich, wobei sie grande wie grändi ausspricht. Wie soll ich mich denn auf Fremdsprachen konzentrieren, wenn mein Puls bei 240 herumrast? Ich fühle mich wie ein Ossi beim ersten McDonald's-Besuch, drei Minuten nachdem die Mauer gefallen ist.
    »Klein, mittel oder groß?«, hilft mir Marcia.
    »Klein, nein, groß!«
    »Was jetzt?«
    »Sagen wir mittel?«
    »Okay!«
    Zu meiner Verwunderung ist das Lächeln auf ihrem Gesicht geblieben, ja, sie scheint nicht mal genervt von mir. Eine Tatsache, die mir Mut macht, meine Bestellung zügig zu beenden.
    »Und einen Tall Latte und so ein Cajun Chicken Sandwich, bitte.«
    Bis auf »Cajun« hab ich wohl alles richtig gemacht, denn sie verbessert mein spanisch betontes Cachunn zu einem breiten, amerikanischen Keytschn. Kurz bevor ich zum Ausgabe-Counter gehen will, sehe ich eine Plastikbox mit einzeln verschweißten Starbucks-Lebkuchen.
    »Was kosten denn die Lebkuchen?«, frage ich.
    »Zwei Euro das Stück. Wollen Sie einen?«
    »Nee ..., hat mich nur gerade interessiert«, sage ich, zahle und mache Platz für den angestoiberten Pausback-Geschäftsmann. Wusste ich's doch!
    Als ich mit meinem Kassenzettel zum Ausgabe-Counter schlurfe, wird mir zudem klar, warum die Öko-Trulla so geschockt war. Es war der Preis! Acht Euro für zwei Kaffee und ein Sandwich! Da holen die sich die Kohle wieder rein, die sie durch die krakeelenden Säuglinge ver-lieren. Als ich meine beiden Kaffeetassen und Phils Chicken Sandwich in Empfang nehme, schenkt mir Marcia Ehefrau in spe Garcia noch ein zweites Lächeln. Ich würde es gerne erwidern, aber ich verpenne den richtigen Augenblick. Und erst mal fünf Sekunden lang gucken wie ein Eimer, um dann plötzlich zurückzulächeln, ist noch bekloppter. Also sage ich einfach »Hey!« und nicke. Mein Lohn ist ein finales Lächeln von ihr. Sie hat mir zugelächelt! Schon wieder! Mir persönlich! Immerhin hätte sie mich auch schon wieder vergessen können. Das Allerwichtigste an diesem Lächeln ist aber: Es war ein privates Lächeln. Kein amerikanisches keep smiling at your customer, sondern ein sauberer, brasilianisch-nordrhein-westfälischer Flirtblick, der da sagen will: Hey du, der du da eben am Tresen warst, ich hasse dich nicht! Genau! Das ist es. Sie hasst mich nicht! Ein sehr, sehr guter erster Schritt!
    Als ich mich an sieben Kinderwagen vorbei mit meinem Tablett zu Phils Tisch vorkämpfe, telefoniert er immer noch. Klar. So ist das in der Fernsehbranche. Als Fernsehfuzzi muss man mindestens einmal stündlich in der Redaktion anrufen, damit die dort nicht vergessen, was für ein Arschloch man ist.
    Marcia P Garcia. Was oder wer hält mich eigentlich davon ab, noch mal vorzugehen und ihr zu sagen, was ich fühle? Von ganzem Herzen? Phil hält mich davon ab, denn er hat zu Ende telefoniert und lässt sein silbernes Edelhandy in die Innentasche seines Hugo-Anzugs gleiten.
    »Sorry, musste nur noch gerade was in der Redaktion checken.«
    »Kein Problem«, sage ich und bestreue meinen ganz normalen Kaffee mit gar nicht normalem, pudrigem Süßstoff aus einem pinken Tütchen.
    »Die haben hier Lebkuchen für zwei Euro!«, informiere ich Phil.
    »Ja und ...?«
    »Vergiss es!«
    Ich kippe den gesamten Süßstoff in meine Tasse und rühre ihn mit einem dünnen Holzstäbchen um.
    »Die Schnecke am Tresen, ist das die, von der du erzählt hast? Die du so gut findest?«, will Phil wissen.
    »Nee«, lüge ich, weil ich keine Lust habe, mich gleich noch mal zum Affen zu machen.
    »Frag ja nur!«, sagt Phil entschuldigend und lehnt sich zurück. Während ich einen ersten Schluck Kaffee nehme, zieht Phil einen Zettel aus der Innentasche seines Anzugs.
    »Weswegen ich dich sprechen wollte ... also ... is mir

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