Vollidiot
will ich wissen. »Heute Abend sehen wir uns, und wir würden es sehr zu schätzen wissen, wenn du dieses Mal nicht abhaust!«
»Ich höre ein >Wir«
»Genau. Wir. Paula und Phil und ich!«
»Und dann trinken wir ein paar Bierchen, und dann fragt ihr mich zum zehnten Mal, was mit mir los ist, und dann sage ich >nichts<, und ihr habt eure Pflicht als Freunde getan und fühlt euch supertoll und geht nach Hause, liege ich richtig?«
»Du bist so ein Depp!«
»Von mir aus. Ich komme nicht!«
»Du brauchst gar nicht zu kommen, weil wir uns bei dir treffen!«
»Oh! Das ist ja mal 'ne tolle Idee!«
»Hey! Ich lass dafür meinen Spanischkurs sausen, okay?«
Ich sage auch »okay«, weil mir nichts mehr einfällt. Dann rauche ich zu Ende und schlurfe in den Verkaufsraum. An diesem Nachmittag schließe ich drei Verträge ab, nehme 150 Euro aus der Kasse und kaufe zwei Karten für das Konzert der Fantastischen Vier.
Der Rest ist leichter, als ich dachte, denn der Rest ist mein Paula-Plan. Paula-Pläne sind nicht nur leicht, sondern auch meist erfolgreich, denn sie beinhalten die weibliche Sichtweise der Dinge. Mit einem unbekannten Typen in ein Restaurant zu gehen sei für eine Frau höchst riskant, lerne ich von Paula. Da säße man dann, also als Frau, würde voll gesülzt und könne nicht weg. Mit einem unbekannten Typen nach Feierabend zu einem Konzert zu gehen, sei dagegen schon eher möglich. So was könne man durchaus mal machen, vor allem, wenn es sich um die Lieblingsband handele. Und da dies im Großen und Ganzen recht rund klingt, bin ich auch nicht sonderlich aufgeregt, als ich mich, um Marcia zu sehen, kurz nach Feierabend in die Warteschlange bei Starbucks einreihe. Als ich dann aber schließlich vor ihr stehe, schießt mein Puls dennoch ein wenig in die Höhe.
Marcia sieht leider wieder umwerfend aus. Außerdem fällt mir auf, dass ihr Namensschildchen ein wenig weiter links angebracht ist als bei meinem letzten Besuch. So freundlich und unverbindlich es geht, bestelle ich einen Small Latte und gebe ihr Zeit, die Bestellung einzutippen. Dann muss ich mein mit Paula ausgetüfteltes Sätzchen sagen. Ein Sätzchen, dessen Ausarbeitung man nicht gerade als Kinderspiel beschreiben kann. Stundenlang sind wir alle Möglichkeiten durchgegangen, um schließlich mit der ultimativen Eroberungstaktik dazustehen. Ohne Paula, das steht fest, hätte ich schon nach der ersten Frage meinen Small Latte packen und mich auf die Ledercouch verkrümeln können:
Hat irgendjemand in eurem Team Bock auf das Fanta-Vier-Konzert morgen? Ich hab hier noch 'ne Karte!
Das wäre mein erster Vorschlag gewesen. Sechs, setzen und schämen! Zu großkotzig, zu schluffig, zu unpersönlich. Und Bock sagt kein Mensch mehr. Außer Flik vielleicht. Immerhin will ich ja nicht nur eine Karte loswerden, sondern vor allem mit der Frau an der Kasse zum Konzert.
Sag mal, kennst du jemanden, der auf Fanta Vier steht? Ich hab noch 'ne Karte übrig.
Vier minus. Besser, aber immer noch nicht gut. Und vor allem: Diese schäbig dargebotene Beiläufigkeit nimmt mir sowieso kein Schwein ab. Ich geh ja auch nicht zu meinem Banker und frage ihn, ob er zufällig jemanden kennt, der meinen Dispo erhöht.
Also: personalisieren! Und noch besser wäre es natürlich, wenn ich die Karte geschenkt bekommen hätte, weil sie das nicht unter Zugzwang bringt, sich für eine so teure Karte zu revanchieren.
Ich mache so was ja sonst nie, aber dürfte ich dich fragen, ob du morgen mitkommst auf das Fanta-Vier-Konzert? Ich hab noch eine Freikarte übrig.
Niemals! Männer, die sagen, dass sie so was nie tun, tun so was täglich, zumindest glauben Frauen das. Ergo: ehrlich sein, so lange es geht! Das Allerbeste ist natürlich, gar nichts zu sagen. Und zwar: JETZT!
»Das macht 2,30, bitte!«, lächelt Marcia.
Zusammen mit einem Zehn-Euro-Schein ziehe ich, natürlich aus Versehen, knick-knack, eine Fanta-Vier-Karte aus meinem Portemonnaie.
»Hab's gleich!«
Und tatsächlich: Sie schaut auf mein Portemonnaie, entdeckt die Karte. Bingo!
»Geil! Fanta Vier! Gehst du hin?«
»Klar. Freu mich schon seit Wochen drauf. Und du?«
»Ich wollte erst, aber fünfunddreißig Euro sind mir echt zu teuer!«
»Mhhh ...«, brummle ich.
Paula hat gesagt, dass diese Verzögersekunden enorm wichtig sind, weil sie die Aktion spontan und ungeplant wirken lassen. Also tue ich so, als überlegte ich eine Sekunde, und reiche dann Marcia eine der beiden Karten.
»Weißt du was? Nimm
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