Vollidiot
Geld und Klamotten mit einer Platzwunde auf der Stirn vor einer Disko in Madrid liege und dringend Hilfe brauche.
Senor! El autobús es rojo! !!! Rojo!!!
Aber meine linguistischen Erfolge gehen noch viel weiter. Gegen Ende der Stunde kann ich den restlichen Kursteilnehmern mitteilen, dass das Sofa modern ist, der Regenschirm alt und das Taxi teuer. Ich beginne sogar zu kombinieren und erkläre einem fassungslosen Betonpullover, dass mir der Regenschirm viel zu teuer wäre und ich nun ein Taxi nähme und was er denn bitte schön jetzt gedenke, dagegen zu tun. Der Kurs macht mir richtig Spaß, und Daniela und ich pissen uns vor Lachen fast in die Hose. Die beiden Hackfressen hingegen scheinen von meinem neokommunikativen Lehransatz nicht wirklich begeistert und werden immer stiller. Später lerne ich sogar noch zu sagen, woher ich komme:
»Soy de Alemania«, sage ich.
»Y Daniela?«, fragt mich Soyjulian.
»Daniela también es de Alemania!«, antworte ich akzentfrei und werde für das >también< gelobt. Wie konnte mir bisher entgehen, wie großartig so ein Sprachkurs für das Ego ist! Man zahlt ein paar Euro, redet irgendwelchen Unsinn und wird für den dümmsten Mist gelobt. Ich könnte den gigantischsten Rülpser der Kölner Stadtgeschichte lassen, das Resultat wäre ein muy muy bien, Nils! Natürlich nur, wenn es sich um einen spanischen Rülpser handeln würde. So taucht man also ein in eine fremde Sprache! Ich bin richtig begeistert und entgehe zum Schluss sogar einer dreisten Fangfrage des Iberobeglatzten.
»Son Malte y Broder de los Estados Unidos?«, will er wissen.
»No«, sage ich, »Malte y Broder son Hackfressen!«
Daniela und ich sind die Einzigen, die lachen, aber das macht nichts, weil der Kurs in diesem Augenblick sowieso zu Ende ist. Als ich mich für die kommende Woche in eine Liste eintrage, schreibe ich fast meinen richtigen Namen in das Formular, denke aber in letzter Sekunde daran, dass ich heute Abend Nils heiße. Die Betonpullover packen ihre bunten Stifte und Mappen in ihre Kunstlederköfferchen und gehen grußlos. Als ich meine Sachen zusammenpacke, bemerke ich, wie Daniela mich beobachtet.
»Wir trinken nach dem Kurs immer noch was, hast du Lust?«, fragt sie und wirkt dabei irgendwie aufgeregt.
»Aber nur drei, vier Flaschen Rioja, ich muss morgen früh raus!«, sage ich, und keine fünf Minuten später sitzen Soyjulian, Daniela und ich mit lecker Rotwein an der Bar. Ich frage mich, warum wir uns nicht schon während des Unterrichts zugeschüttet haben, aber wahrscheinlich hätten die steifen Betonpullover dagegen protestiert. Ich spüre, wie mein Handy vibriert, habe aber keine Lust ranzugehen. Als es schließlich verstummt, ziehe ich es vorsichtig aus meiner Jeanstasche. Das Display zeigt mir insgesamt sieben Anrufe in Abwesenheit. Drei von Paula, vier von Flik. Das nenne ich hartnäckig. Ich schaue auf meine Uhr. Es ist halb neun. Das heißt, dass Flik, rein theoretisch, jede Sekunde hier im Jonny Turista aufschlagen könnte. Ein unter allen Umständen zu vermeidender Sozial-GAU: Er sähe mich hier sitzen mit seiner Daniela und würde total ausflippen, und dann müsste ich ihm erst mal klarmachen, dass ich gar nichts von seiner Daniela will, sondern einfach nur neugierig war, mich lediglich informieren wollte, was so eine Flik-Freundin wohl hermacht. Ich überlege kurz, ob ich überhaupt noch auf die Tapas warten soll, aber letztendlich ist mein Hunger doch größer als meine Angst vor Flik. Soyjulian, der gar nicht Soyjulian heißt, sondern nur Julian, erzählt mir inzwischen ungefragt, dass er von La Gomera, also von den Kanarischen Inseln, kommt und dass die Idioten in Brüssel vergessen hätten, seine und noch eine Insel bei den Euroscheinen aufzudrucken. Ich sage ihm, dass ich gerade auf den Kanaren war und gar nicht gewusst hätte, dass die auf den Scheinen zu sehen sind, als er aufgeregt einen Fünfzig-Euro-Schein aus seinem Portemonnaie zieht, und auf die winzigen Punkte neben Afrika deutet. Dann erzählt er uns, dass er in einer Bürgerinitiative engagiert sei und zusammen mit einem Anwalt aus La Gomera Brüssel zwingen will, alle Euroscheine neu zu drucken. Na, dann mal viel Glück. Ich dachte immer, Deutschland hätte ein Nationalproblem. Noch bevor ich einwenden kann, dass ich für eine Neuauflage der Gemeinschaftswährung keine großen Chancen sehe, leert Julian seinen Rioja und verabschiedet sich bis zur nächsten Woche. Weltklasse. Jetzt sitze ich also alleine mit
Weitere Kostenlose Bücher