Vollidiot
doch einfach die. Ich hab sie sowieso umsonst bekommen, und meine Kumpels stehen nicht auf Fanta Vier!«
Marcia nimmt sie. Paula hat gesagt, dass es sehr viel schwieriger wäre, ein Geschenk zurückzugeben, das man schon in den Händen hält, als einfach nur nein zu sagen. Doch das wird Marcia sowieso nicht tun, denn ihr ganzes Gesicht strahlt, als sie mir die Hand reicht.
»Ich kann die haben, die Karte, meinen Sie?«, fragt sie noch mal ungläubig. Arghhh ..., das tut weh. Sie hat mich gesiezt!
»Du!«, sage ich.
»Klar ... ich bin Marcia!«, sagt sie.
»Simon«, sage ich und deute auf meine Brust. »Sorry, hab mein Namensschild vergessen. Viel Spaß, vielleicht sehen wir uns ja auch!«
Mit diesen Worten nehme ich meinen Kaffee, setze mich in einen schweren roten Ledersessel und blättere eine Sonderausgabe der Zeitschrift Eltern durch, die eine junge Mutter liegen lassen hat. Schon erschreckend, was man bei der Ernährung während der Schwangerschaft alles falsch machen kann. Die Marcia-Ignorier-Phase ist mit Abstand der schwierigste Punkt des Unterfangens. Jetzt kann ich nur hoffen und beten. Als ich einen Artikel über prügelnde Jugendgangs anlese, bringt mir Marcia ein Stück leckeren Karottenkuchen und fragt, ob wir uns sehen, beim Konzert. Ich sage ihr, dass ich am Haupteingang stehen werde. Ich könnte den ganzen Laden umarmen vor Glück!
?. SOYJULIÁNCÓMOTELLAMAS?
Als ich den Keller des Tapas-Restaurants betrete, in dem der Spanischkurs stattfindet, sind schon drei Kursteilnehmer da. Daniela fällt mir sofort auf. Sie ist exakt so, wie Flik sie mir beschrieben hatte: schwarze, kurze Haare, ein bisschen kräftiger, aber nicht dick. Dafür hat sie ein außergewöhnlich schönes Gesicht, ein süßes Näschen und, wie ich schnell bemerke: eine nette und offene Art. Als ich mich aus Sicherheitsgründen mit Nils vorstelle, lächelt sie mir zu und sagt ihren Namen: Daniela. Neben Daniela sitzen zwei männliche Sakkoträger Typ Muttersöhnchen. Unter den Sakkos schauen bei beiden graue Rollkragenpullover hervor. Beide sind enorm hässlich. Die Pullover und die Typen. Und so bin ich nicht übermäßig traurig, dass keiner von beiden mein Kommen bemerkt hat, denn beide sind über ihre Spanisch-Hausaufgaben gebeugt und deuten auf irgendwelche Konjugationstabellen. Sie tun dies mit einer besorgten Ernsthaftigkeit, als handele es sich nicht um einen lockeren Kneipen-Sprachkurs, sondern um den EU-Beitrittsvertrag mit der Türkei. Ich lächle Daniela an und setze mich, ihr gegenüber, neben einen der beiden schreck-lichen EU-Beamten.
»Was habt ihr denn bisher schon gelernt?«, will ich wissen und schaue freundlich auch zur Seite, um die beiden Betonpullover mit in meine Frage einzubeziehen. Doch die beiden sind so in ihre Tabellen vertieft, dass sie mich gar nicht hören. Dafür ist Daniela offensichtlich recht dankbar, dass etwas Leben in den Kurs kommt.
»Nur, wie man hallo sagt und woher man kommt!«, antwortet sie mir.
»Hey! Das kann ich!«, freue ich mich.
»Dann mach mal!«
»Hallo. Ich komme aus Köln!«
Daniela muss laut loslachen. Der linke Betonpullover bemerkt zum ersten Mal meine Anwesenheit, schaut skeptisch über den Rand seiner albernen Kassenbrille und reicht mir seine feuchtkalte Fischhand.
»Hallo!«, hüstelt er mit einem verschnupften Lächeln. »Ich bin Malte!«
»Herzlichen Glückwunsch!«, sage ich und unterdrücke einen Würgereiz wegen des qualligen Händedrucks. Malte! Wenigstens hatten die Eltern genug Gespür, um ihrem ganz gewiss schon damals hässlichen Kind einen passenden Namen zu geben.
Was ist es denn geworden? Ein Junge oder ein Mädchen? Es ist eine Hackfresse!
Eine Hackfresse? Das ist ja großartig. Dann nennen wir ihn Malte!
»Wieso herzlichen Glückwunsch?«, will die Hackfresse wissen und schaut dabei sehr ernst.
»Entschuldige, du sahst so aus, als hättest du Geburtstag!«, sage ich und schenke meinem Nebenmann einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. Endlich bemerkt auch der zweite Betonpullover, dass noch andere Menschen im Raum sind.
»Nils«, stelle ich mich vor und reiche der anderen Hackfresse die Hand. Offenbar handelt es sich um Zwillinge, denn auch dieser Händedruck hat die Energie einer Qualle in einem Eimer Baldriantee.
»Broder!«, sagt der zweite Betonpullover. »Ah!«, sage ich und muss mich schwer zusammenreißen, um nicht laut loszuschreien vor Vergnügen über einen so bescheuerten Namen. Malte und Broder! Wäre ich Programmchef bei RTL,
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