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Vollidiot

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Titel: Vollidiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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wir in eine winzige persische Achtziger-Kneipe, in der man um Cocktails spielen kann. Ich hab mich lange gefragt, wie die sich im Iran so was wie die Achtziger überhaupt leisten konnten, aber nach dem dritten Cocktail war es mir meist egal. Jedem Land seine Achtziger! Von mir aus auch dem Iran.
    »Kopf oder Zahl?«, fragt mich Amir. Amir ist der Besitzer der Kneipe und Erfinder des berühmt-berüchtigten Kopf-oder-Zahl-Cocktail-Spiels. Das Spiel geht ganz einfach: Man bestellt einen Cocktail, sagt entweder Kopf oder Zahl, und dann wirft Amir höchstpersönlich eine Münze. Gewinnt man, schlürft man seinen Cocktail für lau, verliert man, zahlt man den normalen Preis. Amir kann mich nicht besonders leiden, weil ich meistens gewinne. Er sagt zwar immer, das sei ja nur Spaß, und irgendwann gleicht sich das schon aus, aber insgeheim hat er schon ein bisschen Angst, dass ich einfach nicht mehr zu ihm komme, bevor sich das ausgleicht. Das Bizarre an der Cocktailspielerei ist, dass Amir das nicht etwa tut, um mehr Leute in seine Kneipe zu locken, sondern weil er selbst ein hoffnungsloser Zo-cker ist.
    »Zahl!«, sage ich. Daniela giggelt und guckt abwechselnd auf mich und Amir.
    »Sicher?«, fragt Amir, aber ich lasse mich nicht verunsichern, weil Amir das immer fragt.
    »Ganz sicher!«, sage ich. Amir wirft, stöhnt, und ich gewinne einen leckeren Strawberry Margherita. Daniela rutscht ganz aufgeregt auf ihrem Hocker hin und her, weil sie jetzt spielen darf.
    »Ich sage ... Kopf!«
    »Sicher?«, fragt Amir.
    »Nein!«, sagt Daniela. »Ich nehme doch lieber Zahl!«
    »Wie die Dame wünscht!«, sagt Amir, wirft das Eurostück, fängt es und legt es auf seinen Handrücken. Eine silberne Eins glotzt uns an. »Gewonnen!!!«, ruft Daniela und freut sich dabei so riesig, wie man sich nur freuen kann, wenn man das erste Mal einen Cocktail bei Amir gewinnt.
    »Es ist immer das Gleiche mit dir!«, faucht Amir, stellt Daniela den Cocktail hin und verschanzt sich zähneknirschend hinter seiner Achtziger-Theke.
    »Danke noch mal!«, rufe ich. »Wir hätten sowieso kein Geld dabeigehabt!«
    Amir präsentiert mir seinen Mittelfinger, ohne beim Gläserspülen aufzuschauen.
    »Auf wen?«, frage ich Daniela, als ich kurz darauf meinen Margherita zum Prosten anhebe. Eine sehr dumme Idee. Denn die Gegenfrage lässt mein Herz schneller schlagen.
    »Auf uns?«, fragt sie lächelnd.
    »Okay ... sagen wir auf uns und den tollen Spanischkurs!«
    »Einverstanden! Auf uns und den Spanischkurs.«
    Und dann ziehe ich die Notbremse. Ich erzähle ihr von Marcia. Wie ich mich angestellt habe, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, und wie ich sie nackt in der Sauna gesehen habe und kollabiert bin. Ich erzähle ihr, dass ich mich so richtig verknallt habe und dass sie mir nicht mehr aus dem Sinn geht und dass ich morgen im wahrsten Sinne des Wortes alles auf eine Karte setzen und mit ihr zum Fanta-Vier-Konzert gehen werde und dass ich schon ganz aufgeregt bin. An Danielas Reaktion sehe ich, dass das nicht exakt die Geschichte ist, die sie hören will. Sie wirkt abwesend und stochert mit ihrem Strohhalm in den Eiswürfeln. Das Erste, was sie nach meinem Geständnis-Monolog sagt, ist: »Du hast dich in eine Frau verknallt, die du gar nicht kennst?«
    Das wiederum will ich nicht hören.
    »Gar nicht kennen, na ja ... Ich kenn sie ja ein bisschen!«, rede ich mich raus.
    Dann nippe ich an meinem Glas, obwohl längst nur noch Eiswasser drin ist. Den Tisch bedecken jede Menge zerrupfte Bierdeckel. Danielas Werk.
    »Und du?«, drehe ich den Spieß rum, um ein wenig die Luft rauszunehmen und vielleicht sogar noch auf die Kumpelschiene zu kommen. »Wie sieht's bei dir aus? Liebestechnisch?«
    »Wie's bei mir aussieht?«, fragt sie.
    »Ja!«, sage ich, »bei dir.«
    »Mir geht's genauso!«, sagt sie.
    »Wie genauso?«
    »Na ... ich hab mich in einen Kerl verliebt, den ich gar nicht kenne!«
    »Das ist doch super! Erzähl mal! Läuft gut?«
    »Beschissen!«
    »Wieso?«
    »Der Kerl bist du!«
    Ich kann noch sehen, wie ihr die Tränen in die Augen schießen, dann dreht sie sich weg, packt ihre Jacke und ihr Pumatäschchen und rennt aus der Kneipe.
    Eine Stunde lang sitze ich einfach nur so da. Ich bestelle keinen Cocktail, ich rauche keine Zigarette, ich sitze einfach nur da. Amir kommt zwei, drei Mal und fragt, ob alles okay sei, denn wenn alles okay sei, dann könnten wir ja noch um einen Drink spielen. Es ist aber nicht alles okay. Ich will nicht spielen,

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