Vollidiot
bin froh, dass uns eine winzige Studentin mit einem riesigen Tattoo endlich unseren gemischten Tapasteller auf den Tresen stellt. Daniela lächelt mich schon wieder an. Doch nicht nur das: Sie schaut mir die entscheidenden zwei Sekunden länger in die Augen als Frauen, die nicht flirten. Wenn mich das bisschen Men-schenkenntnis nicht täuscht, was ich im Laufe meines erbärmlichen und grauen Lebens schon aufsammeln durfte, dann ist die kurzhaarige Kleine neben mir nicht nur relativ süß, sondern auch schlicht und einfach ein ganz schönes Miststück. Was mir normalerweise egal wäre für eine schnelle Nummer, ich hatte schon mal ein Miststück für eine Nacht, aber wenigstens war das mein Miststück und nicht das Miststück eines Freundes. Hätte ich sie vor vier Wochen kennen gelernt, wäre die Sache auch klar gewesen. Aber jetzt? Einen Tag vor dem Konzert mit Marcia? Zwei Tage nachdem Flik mir superglücklich erzählt hat, er hätte endlich mal wieder eine Freundin? Ich muss hier ganz schnell fertig essen und nach Hause.
Um weitere Flirtattacken und Immobilienfragen abzuwenden, erkundige ich mich bei Daniela, was sie denn so macht, wenn sie nicht gerade Spanisch lernt. Dabei verstecke ich zwei Datteln mit Speck unter einem Salatblatt. Ich mache das, weil ich früher mit meiner Schwester immer alles teilen musste und ohne Tricks sicher verhungert wäre. Leider bemerkt Daniela den Datteldiebstahl und klaut sie sich kichernd zurück. Dann erzählt sie, dass sie den ganzen Tag in einer Rehabilitationsklinik irgendwelche Leute massiert. Das sei eigentlich ein ganz schöner Job, weil man recht viel mit Menschen zu tun hat. Seltsam. Aus genau diesem Grund hasse ich meinen Job. Wirklich zuhören kann ich ihr nicht, dafür bin ich jetzt viel zu nervös. Meine Augen wandern durch die Kneipe. Die Flik-kommt-gleich-hier-rein-Gefahr ist nicht wirklich gebannt. Meine Verkrampftheit lockert sich auch nicht, als mir zum ersten Mal klar wird, dass Flik mir Daniela ja eines Tages auch mal vorstellen wird. Und er wird sicher nicht sagen, dass ich Nils, der Immobilienmakler, bin, sondern Simon, der T-Punkt-Verkäufer. Und dann wird Daniela sicher nicht sagen, dass sie mich lustiger findet als Flik. Warum, um alles in der Welt, muss ich mich ausgerechnet heute Abend in diesen beknackten Kurs setzen? El autobús es rojo. Muy bien. Y el Puma-Täschchen tambien. Vielen Dank. Eines ist klar. Nach dem iberischen Häppchenallerlei mache ich die Fliege, und zwar zackig. Eine lustige Melodie kommt aus Danielas Handtasche.
»Das sind bestimmt die beiden Betonpullover!«, grinse ich.
»Entschuldigung, mal kurz!«, sagt sie, schaut verkniffen aufs Display und geht nach draußen.
Ich nutze die Gelegenheit, um die restlichen Datteln zu klauen und den wunderbaren Rioja auszutrinken. Durch die Scheibe sehe ich Daniela mit dem Handy auf und ab gehen. Glücklich sieht sie dabei nicht aus. Als sie nach weiteren fünf Minuten immer noch telefoniert, überlege ich mir, ob ich nicht einfach abhauen soll. Stattdessen trinke ich Danielas Wein auch noch aus und klaue mir eine von ihren Kippen. Wenn sie schon ihren eigenen Freund verleugnet, dann soll sie wenigstens dafür bluten. Obwohl:
Was ist schon groß passiert? Ich bestelle noch zwei Gläser Rioja und zünde mir die gemopste Kippe an. Ich sollte die ganze Sache ein bisschen lockerer sehen. Keiner von uns beiden ist verheiratet oder im Kloster. Bisher ist null Komma nix passiert, und es wird auch nichts passieren. Und ich weiß sogar, warum: Weil ich Marcia will und nicht Daniela. Und weil Daniela Fliks Freundin ist, also zumindest schon ein bisschen. Nach einer knappen Viertelstunde kommt Daniela zurück und entschuldigt sich tausend Mal.
»Danke, dass du so lange gewartet hast!«
»Hey — das ist doch klar!«, sage ich. Gar nichts ist klar. Ich stelle mein Weinglas ab und halte die Luft an.
Sie nimmt einen großen Schluck Rioja und atmet tief
durch.
»Was Schlimmes passiert?«, frage ich.
»Nee, ist nur ..., ach ..., vergiss es.«
Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Immerhin kennen wir uns erst ein paar Stunden, da fragt man nicht, wer am Telefon war. Mein Handy informiert mich vibrierend darüber, dass ich eine Kurzmitteilung bekommen habe. Hätte ich sie sofort gelesen, ich wäre direkt nach Hause gegangen.
Irgendwie ziehen wir dann doch weiter, warum, weiß ich gar nicht so genau. Vermutlich wegen des Riojas oder weil die Flik-Gefahr nach einem Ortswechsel eher abnimmt. Kichernd stolpern
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