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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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Ansgar Lechtewink, ihrer ersten Begegnung mit Ramalia im Antiquariat, den schrecklichen Ereignissen auf der Burg oder der Prophezeiung auf der Rückseite von Ramalias altem Foto? Noch während sie darüber nach-dachte, wurde ihr klar, dass es sinnlos war. Sie konnte Anna ja noch nicht einmal das Foto zeigen. Und selbst wenn, was bewies es schon? Dass ein Verrückter sich einen abgefahrenen Spruch ausgedacht hatte, mehr nicht. Mit Rouben musste das gar nichts zu tun haben. Außerdem würde sie selbst ihrer Freundin im umgekehrten Fall diese Geschichte auch nicht abnehmen.
    Hilflos sah sie Anna an. Ihre Augen brannten und die Wunde an ihrem Hals ebenfalls. - Himmel nochmal, die Bisswunde! Wieso nur hatte sie nicht gleich daran gedacht?
    »Hier ...« Jolin löste ihren Schal, zog den Reißverschluss ihres Steppmantels bis zur Brust herunter und reckte der Freundin ihren Hals entgegen. »Siehst du die roten Punkte? Das war Rouben! Er hat mich auf der Burg überfallen und gebissen. Es war reines Glück, dass ich ihm entkommen bin. Wahrscheinlich ...«
    Anna ließ sie nicht weiterreden. »Reines Glück?«, stieß sie hervor. »Ich glaube, du willst mich verarschen.« Sie deutete auf Jolins Hals. »Diese Wunden da beweisen überhaupt nichts. Die kannst du dir sonst wie zugefügt haben. Vielleicht mit einer heißen Nadel oder ...«
    Jolin schnappte nach Luft. Sie machte einen Schritt auf Anna zu, packte sie an der Schulter und schüttelte sie.
    »Bist du bescheuert?«, brüllte sie. »Was unterstellst du mir denn da? Hast du etwa vergessen, wer ich bin? Mein Name ist Jolin und nicht Klarisse.«
    »Na und?« Anna riss sich los und warf den Kopf zurück. »Gibt es überhaupt noch einen Unterschied zwischen euch? Ich wette, du willst Rouben für dich allein haben, und deshalb versuchst du zu verhindern, dass wir auf seine Party gehen. Aber das kannst du vergessen, Jol. Ein Blinder sieht, dass Klarisse und Rouben wie füreinander geschaffen sind. Guck dir die beiden doch mal genau an: Im Grunde sind sie aus dem gleichen Holz.« Plötzlich nahm ihre Stimme einen sanften Unterton an. Sie streckte ihren Arm aus und berührte Jolin leicht an der Hand. »Du brauchst einen ganz anderen Typen, Jol. Und du wirst ihn auch finden. Rouben ist nichts für dich, er hat dich doch nur ausgenutzt. Er wollte von Anfang an Klarisse. Das war sein Spiel, und das weißt du auch. Und wenn du klug bist, bleibst du am Samstag zu Hause und versuchst die ganze Sache zu vergessen. Wenn du zur Party kommst, wird Klarisse dich bloß vorführen. Und Rouben womöglich auch.«
    Jolin nickte. Genau so hatte sie die Geschichte bis vor kurzem selber noch gesehen, und im Gegensatz zu ihr schienen mittlerweile alle davon überzeugt zu sein, dass es sich genau so verhielt. Paradoxerweise war Jolin jetzt die Einzige, die wusste, dass es anders war. Völlig egal, ob sie an Roubens Seite stand oder sich gegen ihn stellte, immer war sie allein. Niemand glaubte ihr. Selbst Anna nicht. Die Faszination Rouben und das hysterische Theater, das Klarisse um ihn und sich selbst inszenierte, hatte sie alle in den Bann gezogen. Keine Frage: Der zwölfte Jahrgang lechzte nach einem Finale. Zwölf Mädchen würden Freitagnacht blindlings in ihr Verderben, vielleicht sogar in den Tod laufen. Und Jolin stand machtlos davor.
     
    Als der Zug an der Lessingallee seine Türen öffnete, folgte Jolin Anna zögernd auf den Bahnsteig hinaus. Klarisse, Rebekka, Melanie und Katrin warteten dort bereits auf sie. Sie mussten eine Bahn früher genommen haben als sonst. Klarisse umarmte Anna und küsste sie überschwänglich auf beide Wangen. »Hallo Schätzchen, ist Rouben gar nicht mitgekommen?«
    Anna zuckte die Schultern. »Ich hab ihn zumindest nicht gesehen.«
    Klarisse verdrehte die Augen. »Oh, dieser Kerl! Noch nie hat mich jemand dermaßen schmachten lassen. Ich wusste von Anfang an, dass er ein Teufel ist. Seine Coolness bringt mich noch um den Verstand.« Sie lachte auf. »Der Junge weiß eben genau, wie er an die heißeste Liebesnacht seines Lebens kommt.« Einen kurzen Moment lang sonnte sie sich in den neidischen Blicken ihrer Freundinnen, dann wandte sie sich Jolin zu. »Zuerst streichelt er ein unschuldiges Lämmchen ...«
    Jolin presste die Zähne aufeinander. Sie wollte Klarisse anschreien, aber sie wusste, dass sie ohnehin nur Gelächter ernten würde. Es war ihr ein Rätsel, woher diese Verrückte die Arroganz nahm, zu glauben, dass Rouben sie nur zappeln ließ, um sie

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