Mutter das Gummi gefunden hätte, hätte sie es garantiert nicht unter die Tagesdecke, sondern ganz offen auf den Nachttisch gelegt.
»Rouben?«, flüsterte Jolin. Sie blickte sich im Zimmer um. Sie sah sogar unter dem Bett und im Kleiderschrank nach. Alles war wie sonst. Ganz normal. Außerdem war helllichter Tag. Rouben steckte in seiner menschlichen Hälfte und konnte mit Sicherheit nicht durch Wände oder geschlossene Türen gehen. Und trotzdem: Irgendwann, vielleicht kurz nachdem Jolin am Morgen das Zimmer verlassen hatte, musste er hier gewesen und das Haargummi platziert haben.
»Warum lässt du mich nicht endlich in Ruhe?«, stieß Jolin leise hervor. Mit einer schnellen Handbewegung wischte sie das Gummi von ihrem Kopfkissen herunter zu Boden. Anschließend ließ sie sich aufs Bett fallen und fixierte die Zimmerdecke. »Du kannst dich auf den Kopf stellen, verdammt nochmal! Aber ich werde nicht auf deine Party kommen!« Sie ballte die Fäuste und schloss die Augen.
Einmal nur in eintausendzweihundert Jahren,
sobald Vollmond und Wintersonnenwende
sich einander nähern,
wird es geschehen...
Jolin las den ganzen Text. Er stand so deutlich vor ihr, als wäre er auf das Innere ihrer Liddeckel geschrieben. Und plötzlich erkannte sie, dass sie gar keine Wahl hatte. Denn womöglich war sie die Einzige von allen Mädchen des zwölften Jahrgangs, der an diesem unheilschwangeren Abend keine unmittelbare Gefahr drohte.
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wir dürfen uns die fäden nicht aus der hand nehmen lassen, antonin
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das ist jetzt dein problem, vater. du wolltest dich um ramalia kümmern und um jolin. ich habe meinen job erledigt,
r. v.
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ja, verdammt, das hast du. allerdings hätte jolin niemals in den besitz der prophezeiung kommen dürfen.
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[email protected] subject: re: ramatia
ich verstehe ohnehin nicht, warum du so lange gewartet hast, du hättest deine frau gleich töten müssen, du hättest niemals zulassen dürfen, dass sie meinen bruder heranzieht, jetzt wird er das erfüllen, was eigentlich mir Vorbehalten war!
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subject: re: ramalia
nein, vincent, das wird er nicht, glaube mir, wenn es eine möglichkeit gegeben hätte, ramalia zu töten, hätte ich es getan, ich hätte sie gefangen und ausgehungert, noch während sie das kind in ihrem leib trug, aber sie ist mir entwischt.
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jetzt sag bitte nicht, du hattest sie bereits …
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subject: re: ramalia
ja, natürlich hatte ich sie. was denkst du, wann sie mir gesagt hat, dass dieser bastard gestorben ist? ich habe ihr geglaubt und sie laufen lassen, verstehst du, vincent, ewige einsamkeit ist die größte strafe, die man einem wesen der dunkelheit antun kann, dummerweise ist mir verborgen geblieben, dass sie einen Säugling fortgetragen hat. und viel zu spät habe ich gemerkt, dass die spuren dieses bastards an jolins seele klebten.
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zu spät - was heißt das, vater? seit wann weißt du überhaupt von ihm?
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subject: re: ramalia
seit fünf jahren. Ich habe die gefühle dieses bastards gewittert, als ich harro greims beobachtete, dieses mädchen, jolin, kam fast jeden tag. ich habe seine sehnsucht in ihrer seele gefunden und sofort erkannt, dass er ein Zwielicht ist. Von dem moment an wusste ich, dass ramalias kind lebt.
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und du hast nichts unternommen? Warum nicht, vater? du hättest ihn zu uns holen können, und dann hätten wir ihn gemeinsam ausgehungert.
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subject: re: ramalia
nein, mein sohn, das wäre nach allem, was ramalia mir angetan hat, viel zu banal gewesen, ich wollte, dass sie hofft, ich wollte, dass sie auf roubens menschenherz setzt, ich will, dass sie bis
zuletzt davon überzeugt ist, eine chance zu haben, aber, glaub mir,