Vollmondstrand
geheiratet!, durchfuhr es Rosa. Das konnte doch gar nicht sein. Woher hatte sie einen Mann und warum wussten Maria und sie nichts davon?
Ich muss sofort Maria anrufen, dachte sie. Da läutete auch schon das Telefon. Es war Clara.
»Hallo, Schwesterherz!«, sie klang beschwingt.
»Grüß dich, na, geht’s gut?«
»Ja, alles bestens. Ich wollte mich bei dir bedanken. Ich weiß nicht, wie Marti es angestellt hat, aber Günther ist ganz anders zu mir seit dem Gespräch mit ihm.«
»Ja?« Rosa war tatsächlich überrascht. Zog ihr Partner schon von ihr an, was die Beraterqualitäten betraf, oder hatte sie seine Fähigkeiten bisher falsch eingeschätzt?
»Er hat mir alles erzählt. Von dem Reiz, gerade in einem Bordell seine Risiko-Lebensversicherungen zu verkaufen, und dem schlechten Gewissen, das er dabei hatte. Jetzt ist er geradezu erleichtert und kümmert sich wieder um mich. Es ist wie am Anfang unserer Beziehung!«
»Ein Himmel voller Geigen, na, da gratuliere ich!«, antwortete Rosa. Irgendwie schien sich bei den anderen alles in Wohlgefallen aufzulösen. Günther entpuppte sich als braver Familienversorger und sogar Anastasia hatte es unter die Haube geschafft! Nur bei mir ist kein Happyend in Aussicht, dachte Rosa ein wenig verwirrt. Vielleicht hätte ich heute im Bett bleiben sollen: Marti rannte schon seit Stunden mit seinem inneren Schweinehund um die Wette und ich hatte erst einen Espresso.
Mit dem Handy in der einen und der Kaffeetasse in der anderen Hand schlurfte sie von der Praxis hinauf in die Küche. Schluss für heute, die restlichen Mails beantworte ich morgen. Da läutete erneut das Telefon. Es war Lina, sie wollte vorbeikommen. Fein, dachte Rosa. Die Turteltäubchen, das gibt noch mehr gute Nachrichten!
Sie hatte ihre Tasse noch nicht leer getrunken, da klingelte es auch schon an der Tür.
»Männer sind Schweine!« Lina fiel ihr gleich zur Begrüßung um den Hals. Auweh, Liebeskummer, der erste!, dachte Rosa.
Nachdem sie die junge Patientin am Sofa untergebracht, heiße Schokolade und Ernie-und-Bert-Kekse als Medikation verordnet hatte (und darauf geschaut hatte, dass diese auch eingehalten wurde), zog sich Rosa einen Stuhl hinzu, um das weitere Geschehen zu überwachen. Jetzt einfach da sein, viel mehr konnte sie nicht tun.
»Der Arsch sagt, er hat mich nie geliebt, stell dir das vor, Tante Rosa!« Tante sagte sie höchst selten, es war also eine gewichtige Aussage. »Von einem Tag auf den anderen liebt er mich nicht mehr – und das Ärgste ist, er sagt, er hätte es nie getan!« Tränen rannen ihr über das heiße Gesicht, schwer zu sagen, was überwog, Wut oder Enttäuschung.
Rosa stand auf und setzte sich zu Linas Füßen. Von hier aus konnte sie das Mädchen umfangen.
»Ihr seid halt noch recht jung …« begann sie, und während die Worte ihren Mund verließen, wurde ihr die Absurdität dieser Aussage bewusst. Dasselbe war ihr auch schon einmal untergekommen, als durchaus Erwachsene. »Ich meine, ihr seid noch nicht fertig, innerlich!«
Lina heulte ungerührt weiter. Der Typ musste ordentlich verletzt worden sein, dass er mit einem Mal so dichtmachte, dachte Rosa.
»Ach, Scheiße, willkommen im Club! So etwas passiert halt.«
Rosa hatte sich entschlossen, einfach ehrlich zu sein. »Komm her!« Sie schloss Lina in die Arme. Trauer war es nun, eindeutig, das konnte sie fühlen.
»Nie wieder lasse ich mich so verletzen, das schwör ich dir. Mit den Männern bin ich fertig!«, sprach die 15-Jährige und schnäuzte sich lautstark. Einen Moment lang wirkte sie verloren. Sie räusperte sich zweimal und erhob abermals die Stimme: »Der wird noch weinend vor meiner Tür stehen, das sag ich dir, Rosa! Aber dann ist es zu spät!«
»Genau!«, pflichtete Rosa ihr bei.
Das Allerschlimmste schien überstanden.
Das Telefon läutete erneut; ungewöhnlich für einen Sonntagvormittag. Rosa deckte Lina mit einer weichen Decke zu und zog sich in den oberen Stock zurück. Diesmal war es Maria. Sie hatte offenbar dieselbe virtuelle Ansichtskarte von Anastasia erhalten.
»Hast du das gesehen?« Rosa wusste sofort, was sie meinte.
»Ein Wahnsinn, wo hat sie den jetzt her – aus dem Hut gezaubert?«, antwortete sie.
»Das weißt du nicht?« Maria war erstaunt.
»Nein, du etwa?« Rosa war nicht minder überrascht.
»Das ist doch ihre erste große Liebe! Ein russischstämmiger Großgrundbesitzer, der hier auf die Boku gegangen ist; bodenständig und freundlich. Eine Seele von einem Mann,
Weitere Kostenlose Bücher