Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Aber da die Kriminalpolizei höchstpersönlich die Todesnachricht überbringt, vermute ich ganz stark, dass er nicht an der Schweinegrippe eingegangen ist. Doch nun frage ich, weshalb macht sich die Frau Kommissarin die Mühe, zu mir zu kommen und seinen Tod persönlich zu verkünden?«
»Auch wenn unser Gespräch bisher recht zwanglos verlief, Herr Witkowski, die Fragen stelle ich. Sollte Ihnen das allerdings nicht angenehm sein, ich kann Sie auch gern vorladen und dann können wir im Revier plaudern. Herr Haase wurde ermordet. Ich wüsste jetzt gern, wo Sie sich heute zwischen 11:30 Uhr und 12 :30 Uhr aufgehalten haben.«
»Weshalb sollte ich diese Frage beantworten? Fragen Sie alle Klienten des Steuerbüros Haase nach ihrem Alibi? Oder ist das die übliche Schikane?«
»Ach Herr Witkowski, nichts liegt mir ferner als Sie zu schikanieren, aber in einem Mordfall fällt immer viel Routineermittlung an und da Sie, wie Sie selbst bestätigt haben, ein Klient von Herrn Haase waren, sind auch Sie Teil der Routine. Also geben Sie mir die gewünschte Auskunft, oder ziehen Sie es vor, morgen in der Polizeidirektion anzutreten?«
»Wenn ich recht verstehe, Frau Kommissarin, sind Sie also nur hier, um mir unnötige Laufereien zu ersparen?«
»Genau, das bringt es auf den Punkt. Ein selbstständiger Gastwirt hat ausreichend Verpflichtungen, ich wollte nur helfen«, sagte Karin zuckersüß und bemerkte, wie sie Witkowskis Geduld sichtlich strapazierte.
»Also gut. In der angegebenen Zeit war ich bei einem Getränkegroßhändler, um Liefertermine abzustimmen«, sagte Witkowski und holte eine Visitenkarte des Händlers aus dem Schreibtischfach, die er Karin mit der Bemerkung »… zum Nachprüfen« reichte.
Karin hatte nicht eine Sekunde geglaubt, dass Witkowski sich selbst die Hände an Joachim Haase schmutzig gemacht hatte, aber sie hegte den starken Verdacht, dass er etwas mit diesem Verbrechen zu tun haben könnte. Für ihren Abgang hatte sie sich noch eine letzte Trumpfkarte aufgehoben und sie hoffte sehr, ›Das Krokodil‹ damit aus der Reserve zu locken.
»Vielen Dank für Ihre Mithilfe, Herr Witkowski«, sagte Karin auf ihrem Weg zur Tür. »Ach übrigens, der größere Posten Bargeld, den wir bei Herrn Haase gefunden haben, befindet sich jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Aber das wird Sie sicher nicht tangieren.«
Karin hatte ins Schwarze getroffen. ›Das Krokodil‹ sprang aus seinem Bürostuhl, in dem er bis jetzt arrogant lächelnd gesessen hatte, und starrte sie an. Die ganze Biedermannfassade war aus seinem Gesicht gewischt. Böse und kalt fixierte er sie, gerade wollte er etwas sagen, da öffnete sich die Tür und eine ziemlich große, junge Frau betrat das Büro.
»René, … oh, du hast Besuch. Entschuldigung.« Und damit verschwand sie schnell wieder.
Doch Witkowski hatte der kurze Moment genügt, um sich zu fassen. Karin hätte die Frau ohrfeigen können – der Moment, in dem er beinah etwas Unbedachtes geäußert hätte, war vorüber.
»Was sollte mich das Geld des Herrn Haase angehen? Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte«, sagte Witkowski, wieder über den Dingen stehend.
»Einen schönen Abend noch«, sagte Karin und ließ Witkowski mit seinen schwarzen Gedanken an verlorenes Geld zurück.
Auf dem Weg zu ihrem Fiesta war sie recht zufrieden mit sich. Sie wusste nun, dass das Geld auf jeden Fall von Witkowski stammte. Wenn die Frau nicht zum unpassenden Moment gestört hätte, wäre vielleicht noch mehr ans Tageslicht gedrungen, aber die Gewissheit war viel wert.
Dass sie Witkowski von dem Geld erzählt hatte, stellte keine Preisgabe von Geheimnissen dar. Karin war sicher, dass er über Informanten verfügte und der Geldfund würde spätestens morgen im Revier das Thema Nummer eins sein.
Hätte Karin allerdings die leiseste Ahnung gehabt, welche Auswirkungen ihr Besuch bei Witkowski für ihr persönliches Leben haben würde, hätte sie ihn mit Sicherheit unterlassen.
3. Kapitel
Als Karin von der bemüht fröhlichen Stimme des Radiomoderators geweckt wurde, begann wie jeden Morgen der in ihrem Inneren tobende Kampf: Aufstehen und stark sein oder noch einmal umdrehen und eine Stunde länger schlafen. Wie fast jeden Tag gewann der starke Teil von Karin die Schlacht. Doch auf der Bettkante blieb sie erst noch kurz sitzen und wuschelte durch ihr schulterlanges Haar, dann gab sie sich einen Ruck und stand auf.
Ihr morgendliches Sportprogramm begann mit fünfzig Sit-ups, heute vielen sie ihr
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