Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Leben wurde zu einer Art Gefängnis aus Angst und Schuldgefühl. Ihm rutschte immer öfter die Hand aus und es blieb nicht nur bei Ohrfeigen.«
Karin und Sandra bemerkten, wie sehr diese Erinnerungen Frau Adler angriffen. Sie zitterte so stark, dass sie ihr Wasserglas wieder auf den Tisch stellen musste. Sie versteckte ihre Hände unter dem Tisch und fuhr fort: »Jetzt kann ich über diese Dinge reden. Ich habe mich schon vor Jahren von den falschen Schuldgefühlen befreit, die mich lange beherrschten. Als ich damals seinen Misshandlungen ausgesetzt war, habe ich die Schuld für sein Verhalten auch bei mir gesucht. Ich schämte mich und konnte mit niemandem darüber reden.« Frau Adler sah ihre beiden Gesprächspartnerinnen an und versuchte ein entschuldigendes Lächeln aufzusetzen, aber es misslang ihr. Das Lächeln gefror zu einer Mimik aus verstecktem Leid und Furcht.
»Jetzt weiß ich, dass das falsch war«, sprach sie weiter. »Als ich es überhaupt nicht mehr aushielt und schon vor Angst zitterte, wenn er die Wohnung betrat, raffte ich all meinen Mut zusammen, verließ ihn und suchte in einem Frauenhaus Hilfe. Ich reichte die Scheidung ein und erstattete Anzeige wegen Misshandlung. Obwohl ich sicher untergekommen war, fand mich Joachim. Er sagte mir, egal wo ich mich vor ihm verstecken würde, er würde mich finden. Seine Beziehungen würden weit reichen. Er bot mir ein Geschäft an: Wenn ich die Anzeige zurückziehe, lässt er mich dafür in Ruhe und willigt in die Scheidung ein. In meiner Not stimmte ich zu. Zu meiner Verwunderung hat er sich an die Absprache gehalten. Ich habe bis heute nie wieder etwas von ihm gehört.«
Nach Frau Adlers kurzem Abriss ihres Martyriums breitete sich Schweigen aus. Die beiden Beamtinnen waren in ihrem Berufsleben schon viel zu oft mit ähnlichen Geschichten konfrontiert wurden. Doch immer wieder aufs Neue wurden auch ihre Gefühle dadurch verletzt. Sie litten mit den an Leib und Seele geschundenen Frauen.
»Das ist lange her«, entspannte Frau Adler nach einer Weile die traurige Stimmung. »Ich habe ein neues Leben begonnen und schaue wieder nach vorn. Doch bis heute blieb immer ein Rest Angst. Aber auch das ist nun vorbei.«
»Frau Adler, mir ist es etwas unangenehm, Sie das jetzt zu fragen: Wo hielten sie sich gestern zwischen 11:30 Uhr und 12:30 Uhr auf?«
Karin wand sich bei dieser Frage, denn Sie hatte die Frau für sich als Täterin bereits ausgeschlossen. Sie hatte zu viele Verbrecher gesehen, um zu wissen, dass diese Frau keiner war.
»Das muss ihnen nicht unangenehm sein. Ich verstehe, dass Sie mich fragen müssen. Gestern zu dieser Zeit hatte ich Frühschicht. Ich arbeite als Physiotherapeutin. Joachim wollte nicht, dass ich arbeite, aber nach der Scheidung habe ich eine ganze Menge geändert. Ich nahm meinen Mädchennamen wieder an und stellte mich finanziell auf die eigenen Beine. Ich habe noch einmal ganz von vorn begonnen. Alle meine Sachen hatte ich bei meiner Flucht zurückgelassen und mich nicht getraut, die gemeinsame Wohnung noch einmal zu betreten.«
Frau Adler riss einen Zettel von einem Notizblock ab, schrieb Anschrift und Telefonnummer ihrer Arbeitsstelle auf und reichte ihn Karin.
»Vielen Dank«, sagte Karin. »Kennen Sie jemanden, der gegen Herrn Haase einen so tiefen Groll empfindet, dass er ihm etwas antun würde?«
»Ich habe meinen Ex seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Aus der Zeit, wo ich noch bei ihm war, kann ich nur wiederholen, dass er zu seinen Angestellten äußerst fies war.«
Bei der Verabschiedung sagte Frau Adler: »Heute habe ich frei, eigentlich hatte ich mir eine Menge vorgenommen, aber das lasse ich alles sausen. Ich werde jetzt einen langen Spaziergang machen und dabei an alte Zeiten denken. Ich werde um den jungen Joachim trauern und erleichtert sein, dass der Mann, der aus ihm wurde, nicht mehr ist.«
Beim Verlassen der Wohnung sahen die beiden Kommissarinnen, dass Frau Adler ihre Tür zusätzlich zum normalen Schloss mit drei weiteren Schlössern verbarrikadiert hatte.
In der Polizeidirektion angekommen, erfuhren die beiden Kommissarinnen, dass bei Kriminalrat Haupt eine Sitzung anberaumt war. Als sie das Sitzungszimmer betraten, waren die anderen Kollegen schon anwesend. Haupt, Kriminalhauptkommissar Günther Lachmann, Chef der KTU, Kriminalhauptkommissar Dahlmann und Kriminalkommissar Klingenberg warteten bereits auf die Damen.
Haupt ergriff das Wort: »Ich habe zur Aufklärung des gestern erfolgten
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