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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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nahm einen Schluck. Süße breitete sich in ihrem Mund aus, kühl rann ihr die Flüssigkeit die Kehle hinab. Der Knoten löste sich.
    Owahiri streckte sich auf der Matte aus und schloss die Augen.
    Es war sein letzter Wille. Nimm ihn an.
    Der Wind bewegte sanft die Blätter des Baumes. Ein leises Rauschen, das sich mit dem immerwährenden Geräusch der Brandung verband.
    Im Sand vor ihnen zwei dunkle Flecken, zwei nasse Holzkisten und darum herum verstreute Erinnerungen.
    Du hast eine Aufgabe, Mary.
    Sie nahm einen weiteren Schluck des Kokosnusssaftes und wendete den Kopf. Die Hütte. Ohne Carl und doch mit Carl erfüllt.
    Es fehlt noch so vieles, um die Arbeiten abzuschließen, doch du hast Zeit. Niemand weiß, wann das nächste Schiff kommt, auch wenn Carl darum gebeten hat, abgeholt zu werden. Also, was fehlt, um die Arbeit abzuschließen?,
fragte sie sich und wusste sofort um die Antwort.
Wir müssen   … ich müsste die restlichen Inseln aufsuchen. Einen Abgleich der Vegetation erstellen.
    Es war ein Gedanke, ein Plan, ein Hinweis darauf, dass sich ihr Geist fügte, dass er wieder seine Tätigkeit aufnahm. Es gab keinen Grund mehr, sich Carls letztem Wunsch zu entziehen.
    Der Rücken wurde ihr schwer. Sie legte sich auf die Matte, spürte die Wärme und roch den Duft der Blüten.
    »Owahiri, könnte ich in zwei Tagen ein Boot bekommen, um nach Raiatea überzusetzen?«
    »Natürlich. Wie lange werden wir dort bleiben?«
    »Du willst mitkommen?«
    »Natürlich.«
    »Es könnte einen, vielleicht zwei Monde dauern.«
    »Gut. Sehr gut.«

Atlantik, 4.   April 1787
     
    Sie hatte ihm nicht gefehlt.
    Nur das Schreiben, das hatte ihm gefehlt.
    Irgendwann hatte er bemerkt, dass er das Kratzen der Feder vermisste, wenn sie über das Papier strich, und den Geruch der Tinte, sobald er das Fass öffnete. Aber es hatte nichts mehr gegeben, was noch zu beschreiben, zu beschriften gewesen wäre, nichts, was noch hätte gezählt, vermessen oder gewogen werden müssen. Geblieben war ihm die stupide Arbeit an Deck. Wiewohl er nicht wusste, worüber er schreiben sollte, hatte er eines Abends Feder, Tintenfass und vier Blätter aus der Kiste geholt. Die Feder, das Fass und den Rest der Blätter, die Mary ihm nach Nats Tod neben die Koje gestellt hatte. Er hatte sich in die Hängematte gehockt, um ungestört zu sein, und hatte begonnen, Reisenotizen anzufertigen. Inzwischen schrieb er regelmäßig in seiner Hängematte, jeder wusste es, und niemand scherte sich darum. Die Narrenfreiheit hatten sie ihm gelassen, wenigstens die war ihm geblieben.
    Vorsichtig zog er das Papier zwischen seiner Kleidung hervor und rollte das Tintenfass aus der Wintermütze, in die er es zum Schutz gehüllt hatte. Das Papier war durch die Lagerung in den Stofflagen zerknittert. Seth fuhr über eine tiefe Falte, die sich unter dem Druck seines Fingers glättete und danach sofort wieder erhob. Er wendete das Blatt, Vorder- als auch Rückseite waren dicht beschrieben. Kurz überflog er die Zeilen:
Keiner hat mehr Lust,
seine Arbeit zu machen. Seit wir Tahiti verlassen haben, sehen viele so aus, als wären sie seekrank. Ich glaube aber, dass sie verliebt sind und dass sie traurig sind, weil sie ihre Liebchen zurücklassen mussten. Ich sehe auch so aus, als wäre ich seekrank, aber ich bin nicht verliebt. Ich bin immer noch wütend. Auf diese --------.
    Es war ihm untersagt, Aufzeichnungen zu machen, und er musste damit rechnen, dass man ihm am Ende der Reise die Blätter abnahm. Kurz hatte er überlegt, als er diese ersten Zeilen zu Papier gebracht hatte. Sie waren gut geschrieben. Nur das eine Wort, das hatte er vorsichtshalber entfernt. Es wusste auch so jeder, dass Mary eine Lügnerin war.
    Weitere Berichte folgten. Von den menschenfressenden Maori, die sie aber nur aus der Ferne gesehen hatten. Aus Batavia, wo sie nur kurz Halt gemacht hatten, weil der Kapitän befürchtete, man könnte sich, so wie es Cook und seiner Mannschaft ergangen war, in der Enge des überfüllten Hafens Krankheiten einfangen. Die Beschreibung der Tafelberge hatte er schon in winzigen Buchstaben in die rechte untere Ecke des Papiers geschrieben, so eng, dass ihm die Tinte verwischt war. Auch die drei anderen Blätter sahen nicht anders aus.
    Noch einmal ging er den Inhalt seiner Seekiste durch: die Feder, ein halbvolles Tintenfass und kein Papier. Er musste sich welches besorgen. Aber bei wem und wo? Wütend packte er seine Mütze, um das Tintenfass wieder hineinzulegen, als er

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