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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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es gesagt. Er hat gesagt, dass wir ablegen. Gleich.
    Und ich bin an Bord.
    Ich habe es geschafft.
    Ich werde die Welt bereisen.

Atlantischer Ozean, 21.   Juli 1785
     
    Sie würgte, obwohl ihr Magen längst leer war. Die Kehle brannte, und der Wind zerriss die feinen Speichelfäden.
    Matrosen, Seesoldaten, Wissenschaftler – die Gesichter der Männer, die neben ihr auftauchten, wechselten beständig. Einige blieben länger. Entkräftet hingen sie über der Reling, während andere sich die Seele aus dem Leib spien und dann aufrechten Ganges verschwanden. Selbst Carl Belham, die Haut aschfahl, erschien. Er nickte ihr zu, bevor er ein kehliges Gurgeln von sich gab.
    Der allgegenwärtige Geruch von Erbrochenem hatte Marys Übelkeit verstärkt. Vor ihren Augen tanzten Stunde um Stunde die dunklen Wellen unter dem blassblauen Himmel dahin. Die schweißfeuchten Hände verbrannten in der Sonne, doch sie konnte den Griff nicht vom Messing lösen. Sie hörte die Wellen über das Deck brechen. Die Hühnerställe wurden überschwemmt, und wer konnte, rettete das letzte nicht ersoffene Federvieh.
    Irgendwann spürte Mary, dass sich jemand an ihrer Jacke zu schaffen machte. Sie hob den Kopf. Seth. Er lächelte und lief weiter. Als sie die Finger in die Tasche schob, ertastete sie eine Scheibe Zwieback.
    Ein weiteres Rollen erfasste das Schiff und ließ den Bug in die Tiefe absacken. Der Magen sprang ihr erneut zur Kehle hoch. Eine Welle schlug ihr ins Gesicht, und noch während sie Wasser ausMund und Nase hustete, nahm Mary sich den Schwur ab, beim ersten Landgang das Schiff zu verlassen. Eher wollte sie zu Fuß nach Hause laufen, als weiter auf den schwankenden Bohlen zu stehen. Und kaum war der Entschluss gefasst, besserte sich ihr Zustand. Sie hockte sich nieder, lehnte den Rücken gegen die hölzerne Wand und bröselte Krumen vom Zwieback, die sie sich in den Mund schob. Entkräftet schloss sie die Augen.
     
    »Ihr müsst in die Kajüte. Hier wird es zu kalt.«
    Mary hob den Kopf. Der Abend senkte sich über das Meer. Aus der fordernden Windsbraut war ein schwacher Luftzug geworden, der unschuldig über Deck spielte. Nur vereinzelte Seekranke waren hie und da noch an der Reling auszumachen.
    »Meint Ihr, Ihr könnt die Nacht in der Koje verbringen? Dort lässt es sich besser ruhen als in der Kälte.«
    Nat ging vor ihr in die Knie, sein Gesicht tauchte vor ihrem auf. »Wird es gehen?« Er umfasste ihr Kinn, drückte es in die Höhe und blickte ihr fragend in die Augen.
    Die Nähe und die kurze Berührung weckten ihre Sinne. Erschrocken schüttelte sie ihn ab. Wie lange saß sie schon auf diesen Planken? »Wie lange   … wann sind wir in See gestochen?«, fragte sie. Die Zunge klebte trocken in ihrem Mund.
    »Gestern, mein Herr.«
    Mary nickte. Kurz nachdem Carl die Kajüte verlassen hatte, es musste gegen Mittag gewesen sein, hatte das Schiff den Anker eingeholt. Halb Plymouth war zugegen, der Hafen von Abschiedsrufen erfüllt gewesen. Ein Gewirr aus Männer-, Frauen- und Kinderstimmen. In ihrer Koje zusammengerollt, von Myers Seekiste verdeckt, lauschte sie dem ausgelassenen Trubel. Die Ankerwinde ächzte, ein Zittern durchlief den Rumpf, und Wellen schlugen gegen die Bordwände. Das Schiff wendete, um Wind in die Segel zu bekommen, und die Reise begann.
    Die Augen geschlossen, stellte sie sich die gereckten Hälse unddas Winken unzähliger Hände vor. Doch immer wieder tauchten zwei Gesichter auf. Gesichter, die von der Kaimauer aus prüfend die Mannschaft musterten. Landon Reed und William Middleton. Schnell öffnete sie die Augen und tastete mit ihrem Blick die Maserung der Holzwand ab. Die Kapelle der Marineschule spielte. Lange noch trug der Wind ihnen letzte Fetzen der Musik nach. Erst als diese ausgeblieben war, hatte sie sich ausgestreckt, dagelegen und an nichts mehr gedacht. Bis die Übelkeit gekommen war und sie an Deck getrieben hatte. Wie lange war das alles her?
    »Seid Ihr wach?«
    »Entschuldige bitte, es geht schon«, flüsterte sie. Nat ergriff ihren Arm, legte ihn um seine Schulter und stützte sie. »Ich bringe Euch zur Kajüte«, sagte er und schob sie vorwärts.
    Sie spürte seiner Hand nach, die unterhalb ihrer Achselhöhle lag, doch die Finger waren zu weit von ihrer Brust entfernt. Dankbar ließ sie sich helfen.
    »Lass diese Laus los, diesen unnötigen Ballast!«
    Auch der Junge zuckte zusammen, als die Stimme ertönte. Es war die Stimme seines Vaters. Nats Arm und stützende Schulter

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