Vom Dämon versucht - Rowland, D: Vom Dämon versucht
Vorbeilaufen unter die Nase. Dann ließen wir den Fahrstuhl links liegen und steuerten auf die Treppe zu. Ich wollte zwei Stufen auf einmal nehmen, aber ich war nicht unbedingt in bester Form, und zudem waren meine Beine für solche Tricks einfach nicht lang genug. Glücklicherweise lag meine Tante im zweiten Stock, deswegen verlor ich nicht allzu viel Zeit. Ryan, der Bastard, nahm natürlich zwei Stufen auf einmal und warf mir ein selbstzufriedenes Grinsen zu, als er ein paar Sekunden vor mir oben ankam.
Ich hätte eigentlich gern irgendwas Fieses zu ihm gesagt, aber Sauerstoff in meine gequälten Lungen zu bekommen, schien mir im Moment wichtiger. Also machte ich nur ein finsteres Gesicht und rang nach Atem, während ich den Gang zum Zimmer meiner Tante entlanglief.
Rennen war auch nicht viel angenehmer. Ich schlitterte um die Ecke und rutschte im klassischen Comicstil durch die offene Tür ihres Zimmers, während meine Sohlen auf den Bodenfliesen quietschten. Ich erwartete, irgendeine Art dramatisches Szenario vorzufinden, in dem Rachel die Rolle der mordenden Verrückten spielte und meine komatöse Tante die hilflose Geisel. Stattdessen sah ich Carl am Bett meiner Tante sitzen und ihr leise etwas vorlesen. Er unterbrach sich mitten im Satz und hob den Kopf, um mich leicht verwirrt anzusehen. Schnell sah ich mich im Raum um, um sicherzugehen, dass Rachel sich nicht hinter der Tür oder irgendwo anders versteckte. Aber alle Vorhänge zwischen den Betten waren zurückgezogen, und im Zimmer befanden sich nur Carl, meine Tante und drei weitere eindeutig komatöse Patienten.
„Ziemlich viel los heute“, sagte er und ließ das Buch sinken. „Ist irgendwas passiert?“
Viel los? „Wer ist sonst noch hier gewesen?“, wollte ich wissen und keuchte immer noch. Verdammt, ich musste einfach wieder besser in Form kommen. „War Rachel Roth hier?“
Er runzelte die Stirn. „Ja. Vor ungefähr zehn Minuten. Sehr seltsam.“
„Was war seltsam?“, wollte Ryan wissen. Er war kein Stück außer Atem. Ich hasste ihn.
Carl legte den Kopf schräg. „Sie kam hier hereingerannt, genau wie Sie beide, und schien äußerst überrascht zu sein, mich zu sehen. Dann sagte sie zu mir, dass sie Tessa für einige Tests mit nach unten nehmen würde. Ich habe sie gefragt, was das für Tests seien, und sie ist sehr wütend geworden, kam auf mich zu und packte meinen Unterarm.“ Er sprach die ganze Zeit vollkommen ruhig, fast als würde er einen Text aufsagen. „Ich hatte keine Ahnung, was das sollte, aber nach ein paar Sekunden ließ sie mich los und schien ziemlich verwirrt und aufgeregt. Dann sagte sie: ‚Vergessen Sie es. Ich kann direkt an die Quelle gehen.‘“ Er zuckte die schmalen Schultern.
„Sie haben nicht daran gedacht, vielleicht mal die Polizei zu rufen?“, fragte ich.
Carl hob eine Augenbraue, vielleicht einen halben Millimeter. „Weswegen?“
Da hatte er nicht unrecht. Woher sollte er wissen, dass Rachel eine Seelen fressende, mordlustige Wahnsinnige war? „Sie … sie hat Sie nicht töten können“, stellte ich fest und ließ mir noch einmal durch den Kopf gehen, was er gerade berichtet hatte. „Das muss irgendwie damit zusammenhängen, dass Ihnen die Wächter nichts anhaben können.“
Carl zuckte wieder die Schultern. „Jedenfalls ist sie hier rausgestürmt. Muss so ungefähr zehn Minuten her sein.“
„Die Quelle?“, murmelte Ryan.
Ich stieß einen Fluch aus. „Das Portal. Sie ist auf dem Weg zu Tessas Haus.“
„Was immer der durchgeknallte Kobold mit ihr gemacht hat, sie will mehr davon“, erklärte Ryan, und seine Stimme klang fast wie ein Knurren.
Scheiße! Sie konnte inzwischen jemanden töten, indem sie ihn einfach nur berührte. Nicht auszudenken, wie viel mächtiger sie noch werden würde. Ich wollte aus dem Zimmer stürzen, sah aber noch einmal zu Carl zurück und deutete mit dem Finger auf Tessa. „Beschützen Sie sie!“
Er nickte düster. „Auf jeden Fall.“
Ein blauer Honda Civic parkte schräg in Tessas Auffahrt, als wir dort eintrafen, und ich fragte mich kurz, ob Rachel jemanden umgebracht hatte, um an das Auto zu kommen. Unterwegs hatte ich die Zentrale angerufen, um die Fahndung nach Rachel dahingehend zu ändern, dass die Officer nicht versuchen sollten, sie festzunehmen. Ich wollte auf gar keinen Fall, dass irgendjemand sie anfasste.
Ryan und ich näherten uns dem Haus mit gezogenen Waffen. Das Fenster neben der Eingangstür war eingeschlagen, und die Tür stand
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