Vom Daemon verweht
fast eine Stunde auf heiligem Boden. Er konnte sich völlig normal unterhalten. Er sprach klar und deutlich und war offensichtlich ganz bei der Sache. Das würde kein Dämon schaffen. Niemals.«
»Meiner Meinung nach sah er ziemlich blass um die Nase aus.«
»Das ist mir auch aufgefallen, Eddie. Ich habe ihn sogar darauf angesprochen. Und er hat mir erklärt, dass er gerade mit einer Erkältung kämpft.«
»Und du hast ihm geglaubt.«
»Ja! Wenn er ein Dämon wäre, würden wir das wissen. Kein Dämon könnte so lange neben einem Altar durchhalten – vor allem nicht neben dem Altar von St. Mary.«
»Dann ist er vielleicht kein Dämon«, meinte Eddie nachdenklich.
»Das habe ich doch schon die ganze Zeit gesagt!«
»Dann ist er vielleicht etwas anderes.«
Das brachte mich nun endgültig aus der Fassung. »Etwas anderes? Was zum Beispiel?«
»Keine Ahnung. Aber wenn ein Dämon einen Körper infiltrieren kann, warum dann nicht auch eine Seele? Ich habe schon davon gehört. Es soll alimentatori geben, die von dieser Möglichkeit in Versuchung geführt wurden. Sie wollten unsterblich werden, indem sie ihre Seele in den sterbenden Körper eines anderen gleiten ließen.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte ich mit einer Stimme, die kaum lauter als ein Flüstern war.
»Ich will auf nichts Bestimmtes hinaus. Ich überlege nur laut. Wenn jemand mit den dunklen Mächten spielt und dieser Jemand willig ist, ein gefährliches Spiel mit seiner Seele zu treiben – dann hätte er sich doch verändert, oder? Dann wäre er zwar kein Dämon, aber auch kein Mensch mehr. Wäre er dann gut? Oder wäre er böse?« Eddie sah mich mit seinen dunklen Augen nachdenklich an. »Hätte ihn das Böse vielleicht wie eine Krankheit überwältigt?«
»Willst du damit sagen, dass sich Eric vielleicht…«
»In Davids Körper verbirgt?« Er zuckte mit seinen knochigen Schultern. »Na ja. Möglich wäre es.«
»Nein«, flüsterte ich und schüttelte den Kopf. »Eric würde niemals – «
»Weißt du das so genau, Kate?«, fragte er leise. »Weißt du wirklich, wozu Eric fähig war oder nicht?«
Ich konnte diese Frage nicht beantworten. Mir hatte es die Stimme verschlagen. Ich saß da und starrte vor mich hin. In mir stiegen Erinnerungen an den Mann auf, den ich zu kennen geglaubt hatte und dessen Briefe mir gezeigt hatten, wie falsch ich gelegen hatte.
Konnte David wirklich Eric sein? Und wenn er es war – wenn Eric wirklich in Davids Körper geschlüpft war –, was würde das dann bedeuten? Wäre er noch immer mein Eric? Oder wäre er etwas ganz anderes geworden?
Es war beinahe eine Erleichterung, als auf einmal das Telefon klingelte.
Ich hatte Eddie aus der Küche geschickt, weil ich allein sein wollte, und jetzt war ich unsicher, ob ich abheben sollte. Da ich jedoch dringend auf andere Gedanken kommen wollte, entschloss ich mich, dranzugehen. Vielleicht war es ja einfach eine Telefonumfrage.
Ich war jedenfalls nicht darauf vorbereitet, David Longs Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören. »Können Sie sofort zur Schule kommen?«, fragte er mit leiser Stimme. »Creasley ist hier. Aber er ist gerade dabei, die Schule zu verlassen. Ich war im Lehrerzimmer und hörte einige meiner Kollegen, wie sie über ihn sprachen. Die nächsten zwei Stunden habe ich Unterricht, aber wenn Sie sofort kommen, schaffen Sie es vielleicht noch, ihm vom Parkplatz aus zu folgen. Vielleicht führt er Sie ja zu Cool, ehe Sie ihn kaltmachen.«
»Bin schon unterwegs«, sagte ich und wollte auflegen. Ich war froh, dass ich David nicht sehen musste. Außerdem gefiel mir die Vorstellung, endlich mal wieder einen Dämon in die Hölle zurückschicken zu können. Ist das so schlimm? Ich stand unter Stress und wollte mich eben ablenken. Da kam mir ein Dämon gerade recht.
»Okay. Wir treffen uns dann um fünf bei Cutter«, sagte David.
»Dann berichten Sie mir, wie Sie den Höllenhund beseitigt haben. Außerdem können wir dann gleich auch noch etwas trainieren.«
Ich schwieg, obwohl ich eigentlich protestieren wollte. Aber die Worte kamen mir nicht über die Lippen. David verabschiedete sich und legte auf.
Ich brauchte nur einige Sekunden, um wieder zu mir zu kommen. Schließlich ging es um einen Dämon. Hastig suchte ich Schlüssel und Tasche und rannte eilig durch das Haus, um zu kontrollieren, ob alle Türen verschlossen waren. Als ich den Vorhang beiseiteschob, der vor der Verandatür hing, blickte ich nur wenige Zentimeter von mir entfernt
Weitere Kostenlose Bücher