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Vom Daemon verweht

Vom Daemon verweht

Titel: Vom Daemon verweht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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es auch geschafft, vor Stuart zu Hause zu sein. Ich hatte ihm eine
Nachricht auf seiner Voicemail hinterlassen und ihm mitgeteilt, dass ich bei Father
Ben im Krankenhaus sei, da dieser überfallen worden war. Ich hoffte inbrünstig, dass
Stuart nicht nachforschen würde. Am Dümmsten würde das Ganze für mich laufen, wenn
er auf die Idee kam, sich zu mir an Father Bens Bett zu setzen.
    David und ich befanden uns nun allein auf der Promenade. Die Lichter in den
Schaufenstern waren schon vor vielen Stunden ausgegangen, und die einzige
Beleuchtung stammte von einer Straßenlampe und dem Schimmern des Mondes.
    »Sollen wir aufhören?«, wollte David wissen.
    »Ja, wird wohl das Beste sein«, erwiderte ich. Doch dann fiel mir etwas
ein. »Nein. Warten Sie.«
    »Was ist?« Seine Stimme klang wieder hellwach. »Haben Sie etwas
gesehen?«
    »Nein, das nicht. Ich wollte nur…«
    Ich schloss die Augen und kam mir auf einmal ziemlich dämlich vor.
    »Kate?«
    Ich wusste, dass ich eigentlich nicht damit anfangen sollte, aber ich
konnte mich nicht im Zaum halten. Also öffnete ich die Augen, starrte auf den Boden
und flüsterte: »Erzählen Sie mir von Eric.«
    Er warf mir einen Blick zu und ging dann schnellen Schrittes weiter. Das
kam so unerwartet, dass ich für einen Augenblick dachte, er hätte mich gar nicht
gehört.
    »David?« Ich eilte ihm hinterher. »Haben Sie mich nicht gehört?«
    »Lieben Sie Ihren Mann?«
    »Stuart? Ja. Natürlich liebe ich ihn.«
    Er blieb stehen und sah mich an. »Sie haben nicht einmal eine Sekunde mit
Ihrer Antwort gezögert.«
    »Nein, habe ich nicht. Warum sollte ich? Das ist die Wahrheit.«
    »Warum also fragen?«
    »Warum fragen?«, wiederholte ich verständnislos. Doch dann begriff ich, was
er meinte. Tränen stiegen mir in die Augen, und ich schluckte.
    Er wischte mir sanft mit dem Finger eine Träne von der Wange. Diese intime
Geste jagte mir einen Schauder über den Rücken. »Kate?«
    Ich schüttelte den Kopf und suchte nach einer Erklärung. Aber mir fiel
keine ein. »Ich weiß nicht, warum ich frage«, murmelte ich. »Ich wünschte, ich
wüsste es, aber ich habe keine Ahnung.«
    Er lief weiter. Diesmal folgte ich ihm schweigend. Nach einer Weile fing er
von selbst an zu reden. »Ich kann Ihnen eines sicher sagen. Er hat Sie geliebt,
Kate. Er hat Sie sehr geliebt. Und ich glaube, dass er auf Ihre Tochter verdammt
stolz gewesen wäre.«
    Diesmal konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Tränen liefen mir über die
Wangen, während ich seine Worte in mich aufsog. Er hatte nicht alles gesagt, was es
zu sagen gab. Doch für den Moment war es genug.

 
    Im Haus war es dunkel und still, als ich zurückkehrte. Wenn man allerdings
bedachte, dass es bereits halb fünf war, war das nicht ungewöhnlich.
    Ich schlich nach oben und warf noch einen kurzen Blick in die Zimmer meiner
Kinder. Dann ging ich zu Bett. Diesmal gelang es mir, Stuart nicht aufzuwecken. Er
hatte mir eine Rose und einen Zettel auf dem Küchentisch hinterlassen, auf dem er
seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass es Father Ben wieder besser gehe.
    Seine Zeilen freuten mich, und als ich im Bett lag, schmiegte ich mich eng
an ihn, bis er sich im Schlaf zu mir drehte und den Arm um meine Taille legte. So
schlief ich ein, und die Verwirrung, die in mir herrschte, legte sich zumindest für
den Moment. Stattdessen erfüllten der Duft und die Gegenwart meines Mannes meine
Sinne.
    Der Morgen kam viel zu rasch, wie nicht anders zu erwarten, wenn man bis
nach vier unterwegs ist. Timmys beständiges Betteln »Heb mich hoch, Mami! Heb mich
hoch!« weckte mich.
    Ich blinzelte meinen kleinen Jungen an, der seinen
Buzz-Lightyear-Schlafanzug trug. Er streckte mir seine Hände entgegen. »Hallo,
Kurzer!«, murmelte ich verschlafen.
    »Hoch! Hoch, hoch, hoch, hoch!«
    »Hb in hch«, brummte Stuart, was ich als Aufforderung, das Kind
hochzuheben, interpretierte. Ich leistete ihm Folge, und Timmy begann fröhlich auf
dem Bett herumzuhüpfen und in höchster Lautstärke »Jingle Bells« zu singen.
    Stuart stöhnte und setzte sich auf. Er gab mir einen Kuss. »Wie geht es
Father Ben?«
    »Geht so«, sagte ich. »Danke für die Rose.«
    Er streichelte mit dem Zeigefinger über meine Nase. »Du hattest einen
harten Tag.«
    »Kann man so sagen.«
    Stuart lehnte sich auf seinen Ellenbogen und betrachtete Timmy. »Hör mal
zu, kleiner Mann. Willst du heute mit Daddy in den Zoo gehen?«
    Ich horchte auf. »Liebling, ich kann heute nicht in den

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