Vom Daemon verweht
davongegangen war, um andere »Freiwillige« zu rekrutieren. »Ich bin mir sicher, dass dich keiner der Heimbewohner für Mr. Sinclairs Tod verantwortlich macht. Aber falls sich irgendeiner in deiner Gegenwart doch ein wenig seltsam benehmen sollte, kannst du dich natürlich jederzeit gern an mich wenden.«
Marissa hatte die Kunst der unterschwelligen Aggressivität wirklich perfektioniert.
Da mich das schlechte Gewissen etwas quälte, weil ich ihr bisher nicht zur Hand gegangen war, tat ich nun, was sie mir sagte. Dazu gehörte unter anderem ein Rundgang durch die Turnhalle, um unsere alten Leutchen zusammenzusammeln und sie zum Ausgang zu begleiten. Dort wartete bereits Marissa mit der Namensliste auf uns. Sie schürzte die Lippen und machte sechs kleine Häkchen. Einen für jeden der Senioren, den ich aufgetrieben hatte.
»Sind das dann alle?«, fragte ich.
»Sieht ganz so aus.«
»Gut.« Ich warf einen Blick über meine Schulter und entdeckte Laura. »Ich sage nur kurz Laura Bescheid, damit sie meine Kinder mit nach Hause nimmt, und dann fahre ich mit euch zurück.«
Marissa seufzte gequält und zuckte dann ergeben mit den Schultern. »Weißt du was, Kate? Das ist nicht nötig. Kelly und ich werden schon allein damit fertig. Wir haben es schließlich auch vorher ohne deine Hilfe geschafft.« Da war sie wieder, die unterschwellige Aggressivität.
»Bist du dir sicher?«, fragte ich harmlos. Wahrscheinlich hatte sie erwartet, dass ich ihren Vorschlag dankend ablehnen und trotzdem mitfahren würde. Ich ließ mich jedoch selten durch solche Spielchen aus der Fassung bringen. Außerdem wollte ich tatsächlich dringend nach Hause zurück, um für das geheimnisvolle Buch ein sichereres Versteck als mein Auto zu finden.
Ein weiterer gequälter Seufzer. Diesmal klang er noch schicksalsergebener als zuvor. Man musste es ihr lassen: Die Frau wusste genau, welche Signale sie aussenden musste. »Ja, ich bin mir sicher. Vermutlich ist es sowieso das Beste. Schließlich wollen wir vermeiden, dass auf dem Weg zurück ins Heim weitere Senioren plötzlich auf rätselhafte Weise von uns gehen.«
Aua. Das brachte mich beinahe zu Fall. Fast hätte ich darauf bestanden, ihr doch zu helfen, aber die Vorstellung, wie ein dämonisches Buch meine Kinder, Laura und Eddie in seinen Höllenschlund reißt, gab mir neue Kraft. »Liebenswürdig von dir«, sagte ich. »Sehr liebenswürdig.«
Sie klemmte sich die Namensliste unter den Arm und wandte sich ab, um zu gehen. Plötzlich hielt sie noch einmal inne. »Glaube ja nicht, dass es damit erledigt ist. Was mich betrifft, so hast du dich heute wirklich als absolut nutzlos erwiesen.«
»Ich habe dir doch bereits gesagt, dass es mir leidtut«, entgegnete ich. Meine Geduld war allmählich am Ende.
»Solche Entschuldigungen nützen nichts. Du bist mir etwas schuldig, Kate. Und ich werde dich daran erinnern – keine Sorge.«
»Also – erzählst du mir jetzt endlich die ganze Geschichte?« Laura lehnte sich gegen einen meiner Küchenschränke und hielt einen Becher mit frisch aufgebrühtem Kaffee in der Hand. »Ich habe mir das Buch angesehen und festgestellt, dass absolut nichts darin steht. Was soll das?«
Ich hielt die Hand hoch, um sie für einen Moment zum Schweigen zu bringen, und warf einen Blick ins Wohnzimmer hinüber. Eddie war auf dem Sofa eingeschlafen. Die Kinder hatten sich inzwischen im Haus verteilt: Die Mädchen befanden sich oben in Allies Zimmer, und Timmy saß viel zu nahe vor dem Fernseher und verfolgte gebannt Kim Possible, wie sie durch Sprünge und einen Salto rückwärts die böse Shego und ihre grünes Feuer speienden Hände bekämpfte.
Für einen Moment überlegte ich mir, ob ich Timmy etwas weiter vom Fernseher wegrücken sollte oder ob ich – was wesentlich mehr Protest nach sich ziehen würde – auf einen erzieherisch wertvolleren Film umschalten könnte. Ich unterdrückte dieses törichte Bedürfnis. Ich musste mit Laura sprechen und war viel zu müde für eine Auseinandersetzung mit einem gereizten Kleinkind. Wenn mir der Disney-Kanal einige Augenblicke des Friedens schenkte, war ich willig, mich der mächtigen Maus zu beugen.
»Also?«, forderte mich Laura auf, sobald ich damit fortfuhr, Zwiebeln zu schneiden.
Ich fasste kurz für sie zusammen, was seit Coastal Mists passiert war. Schließlich kam ich zu Sinclairs Zusammenstoß mit der Treppenstange.
»Klingt schmerzhaft«, meinte Laura und machte ein entsetztes Gesicht.
»Kein Mitleid für
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