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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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regelmäßig durchgeführt hat, weiß, wie unkompliziert ein Rädchen ins andere greift, wenn man mit dem universalen Selbst in Kontakt ist und einen moderaten Lebensstil pflegt. Man kennt diese tiefe Ruhe, Zufriedenheit und Freude, aber man spürt sie nicht mehr. Man kann sich auch wieder weniger auf seine intuitiven Eingebungen verlassen und kämpft mehr gegen äußere Widrigkeiten, anstatt sie anzunehmen.
    Alte Muster, oberflächliche Lebensstile und selbstdestruktive Tendenzen werden sichtbar. Es werden auch Zweifel wach, ob die früheren erlebnisreichen Erfahrungen überhaupt real gewesen sind. Es ist eine harte Arbeit, vor der der Suchende steht, um mehr Echtheit, Lebendigkeit und innere Freiheit zu erlangen. Die Zeit, in der die spirituelle Entwicklung wie von selbst lief, ist vorbei, und man hat den Eindruck, dass kein Ende des Wegs in Sicht ist. In dieser Zeit wird auch die Übungspraxis nachlässiger und diskontinuierlicher, weil die Disziplin nicht mehr von der Kraft toller Erfahrungen lebt. Man redet zwar noch spirituell, aber nicht mehr aus der Praxis heraus, weil man sich davon längst abgekoppelt hat. Es entsteht ein Doppelleben, eine Kluft zwischen Schein und Sein, die sich schmerzhaft anfühlt. In dieser Phase ist zuallererst wichtig, sich so anzunehmen, wie man ist, denn es gibt keinen Weg zur Ganzheit ohne Hindernisse, jede Praxis kennt diese Mühsal. Ein Schüler sagte einmal zu Shunryu Suzuki (2001, S.100): »Manchmal bin ich lustlos und entmutigt in Bezug auf das Leben und die Zen-Praxis.« – »Das ist gut«, antwortete Suzuki. »In jeder Praxis gibt es solche Momente.«
    Man sollte sich keine zu großen Ziele stecken, sondern einfach in kleinen Schritten denken. Es gibt niemanden, der diese Schwierigkeiten nicht kennt. Man muss immer wieder von neuem beginnen, seine Bereitschaft auffrischen, einen nächsten Anlauf wagen, ohne Erwartungen auf schnelle Ergebnisse. Spirituelle Übungen wollen für sich selbst, ohne große Gegenleistung, regelmäßig und konstant durchgeführt werden. Sie sollen alltäglich werden, so wie wir täglich unterwegs sind, auf dem nie endenden Pfad nach innen. Es gilt, sich den Aufgaben des Lebens zu stellen, ganz gleich ob es um die Verwirklichung von Projekten, Veränderung von alten Mustern oder Ego-Transformation geht. Am besten ist es, der inneren Stimme zu folgen, um herauszufinden, was dem Ganzen dient.

Inventur und Aufbruch
    Regelmäßige und umfassende Inventuren, die alle Bereiche des Menschseins einbeziehen, können dabei sehr nützlich sein. Diese »furchtlose moralische Bestandsaufnahme«, wie sie von den Anonymen Alkoholikern genannt wird, sollte unabhängig davon, ob man nun Lehrer oder Schüler ist, durchgeführt werden. Bevor man sich an die Untersuchung der eigenen Schwächen macht, sollte man aber überprüfen, ob man dazu in der richtigen Geistesverfassung ist, ob man also ruhig und unvoreingenommen an die Sache heranzugehen fähig ist oder ob Wut, Eifersucht, Neid oder Selbstgerechtigkeit den Blick trüben. Um Probleme zu lösen, müssen wir umsichtig und klug die Umstände klären, genauso wie man eine Kleidung prüft, ob sie gewaschen werden muss. Wir müssen der Wahrheit ins Auge blicken, denn:
    »Tatsachen sind nicht beängstigend. Doch wenn du versuchst, ihnen auszuweichen, ihnen den Rücken zu kehren und davonzulaufen, dann ist das beängstigend.« (Krishnamurti in: Föllmi, Danielle u. Olivier, 2004, 17. Okt.)
    Wir müssen damit aufhören, uns selbst und anderen gegenüber die harten Tatsachen zu verschweigen, sondern der Wahrheit vertrauen lernen. Dieser erste Schritt kann sehr befreiend sein, auch wenn er zunächst erschrecken mag. Wer Fassaden bröckeln lässt, weil er Leid und Enttäuschung zugibt, findet zum großen Sein. Aus der Erkenntnis der Wahrheit kann Heilung erwachsen, denn aus unseren Irrtümern und Schwächen lernen wir am meisten.

    Für diesen Zweck werden wir exemplarisch einige Bereiche des Alltags genauer beleuchten. Diese können Sie auch ergänzen und verändern.
Bitte lesen Sie einfach zunächst die folgenden Punkte durch, um die für Sie richtige Form der Auseinandersetzung zu finden. Legen Sie sich dafür auch einen Zeichenblock, Malstifte und einen Schreibblock zurecht.
    Wir betrachten zunächst die Beziehung zum Körper, der Gefäß und Gefährt der menschlichen Entwicklung ist. In den Yogaschriften heißt es, dass der Leib der Tempel des Geistes ist, mit dem wir pfleglich und gewaltlos umgehen sollten. Eine

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