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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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versinke ich in Selbstmitleid und mache andere für meine Probleme verantwortlich? Bin ich mit meinem Schicksal versöhnt?
    Zum Schluss der Inventur sollen unsere destruktiven Muster auf den Prüfstand kommen. Durch negative Einstellungen, egozentrische Verhaltensweisen und gewohnheitsmäßige Disziplinlosigkeiten schädigen wir uns selbst und andere. Spiritueller Fortschritt ist eng mit der Veränderung lebensfeindlicher Schemata verknüpft.
Inventurfragen: Welche Lebensmuster verhindern Lebensfreude? Wie schädige ich mich und andere? Wie viel Kraft und Zeit wende ich auf, um destruktive Gewohnheiten abzubauen?
    Eine aufrichtige Konfrontation setzt augenblicklich Transformationsenergie frei. Die wahrhaftige und klare Sicht auf sich selbst ist aber nur dann von Erfolg gekrönt, wenn sie von einer gütigen und mitfühlenden Atmosphäre getragen ist. Nur wer sich in seinen Fehlern akzeptiert, kann diese auch beseitigen. Obwohl wir stets unvollkommen und unfertig bleiben werden, lohnt sich der Aufwand. Wenn man sich leidenschaftlich und geduldig bemüht, wird das innere Licht das Leben durchstrahlen.

Integration des Schattens
    Die psychischen Regulations- und Bewusstseinssysteme integrieren fortwährend unterschiedliche Strebungen, um das innere Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, zielgerichtet handeln zu können und das Überleben zu sichern. Störende Reize werden deshalb, noch bevor sie Schaden anrichten können, ausgesondert. Dafür gibt es einen einfachen Mechanismus: Es wird eine Barriere gegen das Bedrohliche errichtet. Diese schützt nicht nur vor äußeren Gefahren, sondern auch vor intrapsychischen Unwägbarkeiten. Vor allem der sogenannte Schatten spielt dabei eine große Rolle. Jede Grenze, die gezogen wird, muss gesichert werden, und je undurchlässiger sie sein soll, desto tiefere Gräben durchziehen die Seele. Das vermindert zwangsläufig die Lebendigkeit, hemmt die Entwicklung, und der Lebensfluss gerät ins Stocken. Für die psychospirituelle Entwicklung, die das Erleben von Ganzheit anstrebt, ist die Überwindung der Fragmentarisierungen des Seelenfelds von großer Tragweite. Auch wenn der Schatten eng mit dem Ego verknüpft ist, soll er hier aufgrund seiner speziellen Dynamik gesondert behandelt werden.
    Nur wer riskiert, seinem Schatten zu begegnen, sich mit der harten Wirklichkeit zu konfrontieren, wird dem Schatz des universalen Selbst näherkommen. Als Schatten versteht C. G. Jung (1964, S.71) den »… negativen Teil der Persönlichkeit, nämlich die Summe der versteckten, unvorteilhaften Eigenschaften, die mangelhaft entwickelten Funktionen und die Inhalte des persönlichen Unbewussten«.
    Es sind zunächst die ins Abseits gedrängten dunklen Seiten des Menschen – minderwertige, irrende, triebhafte und leidende.
Bitte notieren Sie kurz, welche Eigenschaften, Triebkräfte, Fantasien oder Zustände Sie bei sich ablehnen, tabuisieren oder als minderwertig empfinden?
    Es sind aber auch die verkümmerten Aspekte, die nicht gelebten Potenziale und unverwirklichten Ziele. Schattenaspekte können lebensgeschichtliche oder gesellschaftliche Muster repräsentieren und sich auf psychische Inhalte, Gefühle oder Zustände beziehen. Der Schatten kann sich aber auch als Krankheit oder körperliche Spannung zeigen.
Lassen Sie sich bitte für den nächsten Augenblick auf diesen Aspekt ein: Unter welchen Krankheiten leiden Sie immer wieder? Worin behindern Sie diese Leiden? Was können Sie dadurch nicht entfalten?
    Diese vielfältigen Erscheinungen des Schattens sind jedoch nicht klar voneinander zu trennen, sondern sind ineinander verschränkt, miteinander verbunden und schaukeln sich gegenseitig hoch. Der Grad der Dichte und Tabuisierung entscheidet darüber, wie stark das zu Vermeidende vom Bewusstsein ferngehalten werden muss.
    Als offenen Schatten würden wir jenen bezeichnen, zu dem ich selbst und andere Zugang haben. So weiß eine Person, dass sie wehleidig ist, und kann das auch jederzeit bekennen. In diesen Bereich fallen auch solche Anteile, die bewusst geworden sind. Dann gibt es Eigenschaften und Zustände, die ich vor anderen geheim halte, den sogenannten versteckten Schatten. Jemand neidet seinem Freund den Erfolg, aber gibt vor, sich mit ihm zu freuen. Von einem unbewussten persönlichen Schatten würde man dann ausgehen, wenn man ihn selbst nicht erkennt. Sobald dieser bewusst wird, muss man mit heftigen Reaktionen rechnen. Eine friedliebende Person, die das erste Mal mit ihrer gewalttätigen

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